Düsseldorf Brahms' "Requiem" als Hymnus auf den Lebenswillen

Düsseldorf · Auch in unserem Alltag gelten oft olympische Arbeitsteilungen: Der eine entzündet das Feuer, der andere trägt es weiter. Der eine heizt den Betrieb, die anderen halten die Flamme am Leben. Dirigenten aber haben immer einen Doppeljob: Sie geben die Hitze vor und sorgen ohne Ermüdung dafür, dass die Betriebstemperatur nicht sinkt.

Solch ein Musiker und Arbeitstier in einem ist Ádám Fischer, der Chefdirigent der Düsseldorfer Symphoniker: Er erweist sich als Dauerbrenner im wahrsten Sinne des Wortes. Jetzt leitete er ein Sonderkonzert in der Tonhalle, bei dem der von ihm angeregte (und vom Freundeskreis der Tonhalle mit 10.000 Euro finanzierte) neue Menschenrechts-Preis der Tonhalle an "Ärzte ohne Grenzen" verliehen wurde. Fischers Ansprache sprühte vor empathischem Gedenken an die stets mittellosen Opfer in der Welt, denen Ärzte nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Würde zurückgeben.

Danach erklang Brahms' "Deutsches Requiem". Fischer ließ das wundervolle Werk nicht ins Nazarenische entgleiten, sondern kümmerte sich aufopferungsvoll um nervöse Stimmung, um stetes Vibrieren. Er verkörperte den Typ des Kämpfers, der sich mit Niederlagen wie dem Tod nur ungern abfindet. Die Steigerungskurven im "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras" mündeten in markerschütternde Chorgewalt des Städtischen Musikvereins, die einen um die Statik der Tonhalle bangen ließ. Vor den Spitzentönen des "Hölle, wo ist dein Sieg?" ging der Chor nicht in die Knie; anderswo zeigte er aber auch feine Pianokultur. Die Symphoniker begleiteten diszipliniert und überaus zuverlässig.

Die Solisten haben hier nicht sonderlich viel zu singen und hinterlassen deshalb nur selten bleibenden Eindruck - ein Schicksal, das leider auch Antonia Bourvé (ein höhensicherer Sopran) und Lauri Yasar (ein kerniger Bariton) beschieden sein wird. Zudem traten sie aus der Mitte des Chorgestühls auf, was die Distanz noch vergrößerte.

Der Beifall war überaus herzlich und schloss die Idee des Preises ein. Von ihm können wir sagen: Er ist wichtig und hat eine Zukunft.

(w.g.)
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