"Museum unter Tage" Bochum stellt Nazi-Kunst aus

Bochum · Das "Museum unter Tage" konfrontiert NS-Kunst mit Werken von Künstlern, die damals verfolgt wurden.

Vom Deutschen Historischen Museum in Berlin bis zur Pinakothek der Moderne erstreckt sich die Reihe der Ausstellungshäuser, die in den letzten zehn Jahren die unselige Kunst des Dritten Reichs ans Tageslicht zurückholten. Jetzt hat sich auch das universitätsnahe "Museum unter Tage" in Bochum dazu entschlossen, NS-Kunst derjenigen Kunst gegenüberzustellen, für die mancher ihrer Schöpfer sein Leben gelassen hat.

Die Ausstellung trägt den Titel ",Artige Kunst'. Kunst und Politik im Nationalsozialismus", und man kann ihren Veranstaltern nicht nachsagen, dass sie sich die Sache leicht gemacht hätten. Denn sie ist weit davon entfernt, systemnahe Maler zu verdammen und die Avantgarde in den Himmel zu loben. Vielmehr lädt die Gegenüberstellung das Publikum dazu ein, sich auf einer verlässlichen Grundlage selbst ein Bild zu machen. Verlässliche Grundlage - das bedeutet, dass die überwiegend aus der Stiftung Deutsches Historisches Museum entliehene NS-Kunst nicht nur durch Hitler-Porträts und heldische Soldatenbildnisse vertreten ist und dass sich andererseits die Avantgarde nicht nur mit ihren herausragenden Arbeiten Ausdruck verschafft.

Wissenschaftlich fundierten Schätzungen zufolge bestanden lediglich 0,8 bis zehn Prozent der NS-Kunst aus Propaganda. Den Rest bildeten jene Familienbildnisse, Seestücke und mythologischen Szenen, die sich in der Bochumer Schau mit Max Beckmann, Josef Albers oder Ossip Zadkine mischen. Eingestreut sind Fotografien aus Konzentrationslagern. Sie lassen keinen Zweifel daran, in welcher Zeit die Schöpfer der NS-Kunst über ihre unheilvolle Gegenwart hinwegzumalen suchten.

Die Veranstalter trauen ihren Besuchern offenbar nur in Maßen ein Urteil zu, das die NS-Kunst von der freien Kunst zuverlässig scheidet - zum Teil vielleicht zu Recht. Alle NS-Kunst ist mit dem Hinweis "Artig" in Frakturschrift versehen. Schon im ersten Saal der Ausstellung trifft man in der Nähe von Felix Nussbaums finsterem, existentiellem Bild "Angst" (1941), in dem der jüdische Maler in äußerster Bedrängnis einer jungen Frau Trost spendet, auf eine "Madonna mit Jesuskind" des Österreichers Ivo Saliger. Nun gut, beide dargestellten Personen sind blond, aber das Werk des Mannes, der häufig in den Großen Deutschen Kunstausstellungen zwischen 1937 und 1944 vertreten war, ginge auch als ordentliches Erzeugnis des 19. Jahrhunderts durch.

Andererseits wird man dem in einem der hinteren Säle hängenden Großformat "Im Kampfgebiet des Atlantik" von Claus Bergen die ästhetische Kraft aus hoch schlagenden Wogen und einem majestätisch erleuchteten Himmel nicht absprechen. Bergen romantisiert die U-Boot-Fahrt auf unmerkliche Weise.

Carl Theodor Protzens Panorama "Straßen des Führers" setzt einen Brückenbau durch eine Landschaft so wirklichkeitsnah, so scheinbar objektiv in Szene, dass man nichts Böses dabei denkt - bis der Blick auf den unteren Teil des Rahmens fällt: "Zwinget die Ferne und ziehet die Bahn durch deutsches Land".

Fast schon verzweifelt man daran, dass moralisch gute von moralisch schlechter Kunst stilistisch so schwer zu unterscheiden ist. Zumal wenn man daran denkt, wie willkürlich das Dritte Reich selbst das eine vom anderen trennte. Göring verehrte so lange den Expressionismus, bis Hitler ihm das verbot.

Aus heutiger Sicht lässt sich gute und schlechte Kunst aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 noch am ehesten durch die Motivwahl des Künstlers und, soweit erkennbar, seine Haltung zum Individuum unterscheiden. Kaum ein anderes Kunstwerk der Ausstellung wirkt in seiner anklagenden Formgebung so wahrhaftig wie Ossip Zadkins auf Rotterdam bezogene Bronzeplastik "Torso der zerstörten Stadt" (1951), ein in Gesicht und Brust durchschossener, entstellter Körper mit erhobenen Händen. Arno Brekers überlebensgroßer, glatter, heldischer "Zehnkämpfer" von 1937 nebenan kann da nicht mithalten. Und man wird Breker auch nicht anrechnen können, dass er noch nicht ahnte, wohin das Dritte Reich führen würde. Auch Richard Heymanns Bild "Des Volkes Lebensquell" von 1942, ein Familienidyll, setzt sich lügnerisch darüber hinweg, dass in jener Zeit mehr gestorben als gelebt wurde und dass dafür jene die Verantwortung trugen, die dem Künstler eine solche Kunst ermöglichten.

Der Bochumer Kunsthistoriker Max Imdahl hat in solchen Zusammenhängen einmal den Begriff "innere Falschheit" benutzt. Man könnte auch von Verlogenheit sprechen, wenn "artige" Kunst entsteht, während Millionen Menschen in Konzentrationslagern gefoltert und ermordet werden. Für diese Verlogenheit schärft die Schau den Blick.

Dennoch bleibt Unbehagen: Felix Nussbaums Selbstzeugnis in panischer Angst nimmt in dieser Ausstellung etwa ebenso viel Platz ein wie "Der Urlauber (auf Heimaturlaub)" von Paul Mathias Padua, ein verlogenes Familienidyll mit Soldat, gemalt von Hitlers großem Propagandisten. Während Nussbaum 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau starb, machte Padua nach dem Krieg als Porträtist der neuen, alten Elite weiter: Friedrich Flick, Helmut Horten, Herbert von Karajan. In der Geschichte hat Gerechtigkeit keinen Platz.

(B.M.)
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