Serie Luther und die Kunst (5) Bildersturm und große Freiheit

Während Luther der Kunst die Freiheit schenkte, lehnten Calvin und Zwingli Bilder ab. Karlstadt blies gar zum Bildersturm. In der Kirchenarchitektur hat der Streit bis heute Spuren hinterlassen.

Als Bildthema habe die Kindersegnung vor dem 16. Jahrhundert kaum eine Rolle gespielt, schreibt die Kunsthistorikerin Susanne Wegmann. In der Cranach-Werkstatt sei die Segnung mit etwa 34 Gemälden jedoch zum Erfolgsmodell geworden.Zum einen wegen des Streits mit den Wiedertäufern, die im Gegensatz zu Luthereine Kindertaufe ablehnten; zum anderen wegen des positiv verstandenen Beispiels der Kinder als Vorbilder eines wahren, unverstellten Glaubens. Auf diesem Bild Cranachs d. Ä., das vermutlich nach 1537 entstanden ist, sieht man in der Mitte Jesus beim leichzeitigen Herzen mehrerer Säuglinge. Links oben stehen einige schlecht gelaunte Apostel. Sie hatten versucht, Mütter undKinder wegzuscheuchen, waren von ihrem Herrn darob aber harsch gescholten worden: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes“ (Markus 10,14)

Als Bildthema habe die Kindersegnung vor dem 16. Jahrhundert kaum eine Rolle gespielt, schreibt die Kunsthistorikerin Susanne Wegmann. In der Cranach-Werkstatt sei die Segnung mit etwa 34 Gemälden jedoch zum Erfolgsmodell geworden.Zum einen wegen des Streits mit den Wiedertäufern, die im Gegensatz zu Luthereine Kindertaufe ablehnten; zum anderen wegen des positiv verstandenen Beispiels der Kinder als Vorbilder eines wahren, unverstellten Glaubens. Auf diesem Bild Cranachs d. Ä., das vermutlich nach 1537 entstanden ist, sieht man in der Mitte Jesus beim leichzeitigen Herzen mehrerer Säuglinge. Links oben stehen einige schlecht gelaunte Apostel. Sie hatten versucht, Mütter undKinder wegzuscheuchen, waren von ihrem Herrn darob aber harsch gescholten worden: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes“ (Markus 10,14)

Foto: dpa

Luther war kein Bilderstürmer. Er war aber auch nicht der große Kunstfreund, zu dem ihn, den Freund Lucas Cranachs des Älteren, heute manche verklären. Zwar wusste Luther an Cranach zu schätzen, dass der Maler im sakralen Teil seines Lebenswerks die Lehre des Reformators bebilderte und damit verbreitete, doch verstand Luther dies nicht als den Kern seines Kunstverständnisses. Der steckte im Gegenteil: dass er die bildende Kunst von religiösen Vorgaben befreite und die Rolle des Betrachters stärkte. Allein der Schauende sollte darüber befinden, was ihm das Bild sagt.

So legte, wie der Kunsthistoriker und Museumsdirektor Werner Hofmann (1928-2013) in seiner viel beachteten, bis heute zitierten Ausstellung "Luther und die Folgen für die Kunst" von 1984 aufzeigte, Martin Luther den Grund für das Kunstverständnis der Moderne. Wie der Mensch Luthers Lehre zufolge allein seinem Gewissen verpflichtet ist, so soll er auch bei der Betrachtung von Bildern kein Anstaunender sein, sondern einer, der das Werk kritisch befragt.

Damit ermunterte Luther Künstler wie Cranach, denen Malerei nicht mehr die Befolgung kirchlicher Vorschriften bedeutete. Als Erster stellte Cranach einen Christus dar, der Kinder segnet. Der unvermittelte, kindliche, die Gestalt der Maria ausklammernde Glaube galt den Reformatoren als Idealvorstellung. Ebenso schuf Cranach den ersten lebensgroßen Akt nördlich der Alpen. Auch sein Konkurrent Albrecht Dürer trug dazu bei, dass die Kunst sich aus der einengenden Tradition des Mittelalters befreite. Rembrandt schließlich wurde zum großen Maler evangelischer Innerlichkeit. Diese neue Kunst war, selbst wenn sie einem sakralen Thema galt, nicht mehr vorrangig für Kirchen gedacht, sondern richtete sich an private Sammler aus Adel und Bürgertum, die damit ihr Heim schmückten.

Wie dagegen eine Kirche der neuen Zeit auszusehen hat, darüber herrschte unter den Reformatoren Uneinigkeit. Martin Luther sah, als er mit dem katholischen Bilderkult ins Gericht ging, das Hauptübel nicht in den Bildern selbst, sondern in der Vorstellung, durch die Stiftung von Bildern und die Verehrung von Reliquien könne man sein Glück im Jenseits erkaufen. Sein einstiger Mitstreiter Andreas Bodenstein von Karlstadt, Professor an der Universität Wittenberg, rief dagegen zur Zerstörung religiöser Bildwerke auf: Im Sinne des Christentums solle Geld nicht in fromme Kunststiftungen fließen, sondern unmittelbar den Armen zugutekommen. Kopflose Heiligenfiguren und leere Nischen in den Kirchen waren die Folge. Calvin und Zwingli behaupteten Positionen zwischen Luther und Karlstadt, lehnten Bilder aber letztlich ab.

Luther fasste seinen Standpunkt so zusammen: "Bilder, Glocken, Messgewand, Kirchenschmuck, Altarlichter und dergleichen halte ich für frei. Wer da will, der kann's lassen, obwohl ich Bilder aus der Schrift und von guten Historien für sehr nützlich halte, aber doch frei und in eines jeden Ermessen. Denn mit den Bilderstürmen halte ich es nicht." Den Gegenden, in denen die Reformation Luthersche Züge trug, hatte er damit viel Spielraum gelassen. Luthers Lehre führte einerseits zu einer Bildersprache, die vor allem das Neue Testament und die Erlösung des Menschen durch die Gnade Gottes zum Inhalt hatte. Andererseits änderte sich in zahlreichen lutherischen Kirchen nichts gegenüber der Zeit vor der Reformation. Die Ausstattungsstücke blieben an ihrem Platz, auch wenn niemand sie mehr nutzte. Nirgends haben sich so viele Kunstwerke aus dem Mittelalter erhalten wie in lutherischen Kirchen: Altäre, Heiligenfiguren und Goldschmiedearbeiten.

Wo um- oder neu gebaut wurde, haben sich evangelische Besonderheiten herausgebildet. Die von den sieben katholischen Sakramenten übriggebliebenen, Taufe und Abendmahl, haben in der Kirchenarchitektur einen festen Platz bekommen: Altar oder Abendmahlstisch und Taufbecken. Ihnen gleichwertig ist die Kanzel als Ort der Verkündigung in der Predigt. Als typisch evangelisch gelten ein- und doppelgeschossige, an Theater erinnernde Seitenemporen mit zahlreichen Sitzplätzen für die Gemeinde. So wollte man Raum schaffen für die neue Konfession. In manch gotische Kirche zogen evangelische Baumeister nachträglich Emporen ein. Der Grund: Die Reformation veränderte den Kirchenbau, weil sie die Rolle der Gemeinde stärker betonte: Jesus ist dort, wo Gemeinde sich sammelt und das Evangelium verkündet wird.

Bei den Lutheranern führte die Kombination von Kanzel und Altar zur Ausbildung des Kanzelaltars, oft zusätzlich mit Orgel. Vor allem im sächsisch-thüringischen Raum und in Norddeutschland ist er verbreitet.

Erst im 18. Jahrhundert setzte ein evangelischer Kirchenbau-Boom ein. In Dresden erstand die Frauenkirche, in Hamburg der Michel und in Saarbrücken die Ludwigskirche -allesamt ausgerechnet im Barockstil, den man doch eher mit dem Katholizismus verbindet. Aber es war der Stil der Zeit, und er sollte dazu beitragen, im Wettbewerb mit der katholischen Kirche zu bestehen.

An Rhein und Ruhr setzten die Protestanten solche Zeichen nicht. In den niederrheinischen Herzogtümern Kleve, Mark, Jülich und Berg hatten sich die lutherische und die reformierte Lehre "von unten" verbreitet, mit nur geringer Förderung der Landesherrschaft. In Düsseldorf verfügten zwar beide Gruppierungen schon Ende des 16. Jahrhunderts über eigene Predigtstätten, doch die durften nicht an öffentlichen Straßen stehen - wie die Kirche der Reformierten an der Bolkerstraße in der Altstadt, heute Neanderkirche, oder die lutherische Berger Kirche unweit davon.

Lutherische und reformierte Kirchen lassen sich im Innenraum meist auf Anhieb unterscheiden. Lutherische sind ausgeschmückt, näher am Katholizismus. Reformierte bieten sich meist ohne Zierde dar. In mancher reformierten Kirche etwa in Wuppertal hängt noch nicht einmal ein Kreuz. In Wuppertal gibt es im Übrigen bis heute beide innerevangelischen Konfessionen, lutherisch und reformiert - und das Problem, dass überall eine Kirche zu viel steht.

Lange hatten Reformierte und Lutheraner einander bekämpft. Nach dem Westfälischen Frieden des Jahres 1648 besannen sich beide Seiten auf ihre Gemeinsamkeiten. Erst im 19. Jahrhundert aber entstanden sogenannte unierte Gemeinden, die nur noch ein Kirchengebäude nutzten und das andere zur Friedhofskirche, zum Gemeindesaal oder zur Schule umbauten.

Ebenfalls im 19. Jahrhundert bemächtigten sich Klassizismus und Neogotik des evangelischen Kirchenbaus, eine neue Sakralität breitete sich aus. Der 1905 fertiggestellte, im Stil der Hochrenaissance entworfene Berliner Dom kann als Beispiel dafür gelten, wie ein Herrschergeschlecht - die Hohenzollern - eine Kirche auch zu Repräsentationszwecken errichtete.

Über den Jugendstil führte der Weg in die Moderne. Neue Raumlösungen, Variabilität und Flexibilität für alternative Formen des Gottesdienstes - das waren hierzulande die Stichwörter der 70er und 80er Jahre. Erst in jüngerer Zeit macht sich bei Umgestaltungen von Kirchenräumen eine Rückkehr zu stärker sakraler Anmutung bemerkbar.

Lutherische, reformierte und unierte Kirchen bestehen heute nebeneinander. Erkennen kann man sie nach wie vor ganz gut daran, wie sie es mit den Bildern halten.

(B.M.)
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