Bayreuth Bayreuth wird noch härter fürs Sitzfleisch

Bayreuth · Aus Sicherheitsgründen sind Kissen, Rucksäcke und Flüssigkeitsbehälter bei den Festspielen verboten.

Eigentlich ist das Bayreuther Festspielhaus nichts Besonderes. Nun gut, es besitzt eine gewisse historische und architektonische Sonderstellung, aber ansonsten gibt es eine Bühne, einen Orchestergraben und einen Zuschauerraum, wie das in jedem Opernhaus üblich ist. Aber weil alles ausschließlich mit Wagner zu tun hat, ist der Grüne Hügel eine hermetische Welt - zu der man auch nicht einfach geht, sondern pilgert. Bayreuth ist wortwörtlich ein Angang.

Nun haben die an der Verschärfung ihres Sonderstatus interessierten Bayreuther für die in der übernächsten Woche beginnenden Festspiele eine erhöhte "Gefährdungslage" ausgegeben. Peter Emmerich, Sprecher der Festspiele, sagte: "Es ist klar, dass die Sicherheitslage eine andere ist als im vergangenen Jahr - überall. Das gilt für Kulturveranstaltungen genau wie für Sportereignisse. Die Bayreuther Festspiele sind auch aufgrund des internationalen Publikums ein herausragendes Ereignis." Das bedeutet konkret: Der Bühnenbereich wurde bereits vor Wochen weiträumig mit einem Zaun abgesperrt. Journalisten müssen sich umfangreich akkreditieren. Kissen, Rucksäcke, spitze oder scharfe Gegenstände und Flüssigkeitsbehälter sind verboten. Der Grüne Hügel gleicht in diesem Jahr einem Verkehrsflugzeug. Allerdings soll es keine Leibesvisitationen geben.

Die Bayreuth-Fahrer sind ja an vieles gewöhnt. Erstens: Sie sitzen bei den Aufführungen über Stunden in einem orthopädisch und internistisch bedenklichen Klappstuhl, dessen Sitzfläche und -komfort demjenigen in einem bolivianischen Kleinbus entspricht, was ein enorm erhöhtes Thrombose-Risiko birgt. Zweitens: Sie ertragen die Abwesenheit einer Klimaanlage. Drittens: Sie reisen in eine Stadt, deren Verkehrsanbindung an die moderne Welt prähistorisch zu nennen ist. Viertens: Sie müssen sich Musik von Wagner anhören.

Nun dürfen sie nicht einmal ihre geliebten Sitzkissen mitbringen, das könnten ja verkappte Sprengstoffgürtel sein. Oder in ihrem Schaumstoff könnten Dolche versteckt sind, mit denen im zweiten Akt des "Parsifal" Minister oder Fernsehmoderatoren erstochen werden. Dem will man vorbeugen.

Mit "Parsifal" werden die Festspiele am 25. Juli in der Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg eröffnet; die Kanzlerin kommt nicht. Laufenbergs Interpretation, so hörte man aus Bayreuth, soll einen "religionskritischen Ansatz" verfolgen. Deshalb waren Spekulationen gekeimt, dass die schärferen Sicherheitsvorkehrungen mit diesem Inszenierungskonzept zu tun hätten. Stadt und Festspiel-Verantwortliche dementierten jedoch einen Zusammenhang. Sprecher Emmerich betonte, dass eine Verknüpfung zu einer möglichen Islamkritik in der "Parsifal"-Neuinszenierung falsch sei.

Laufenberg hat allerdings bereits gegen die Sicherheitsmaßnahmen gewettert: "Was hier an Sicherheitsapparat läuft, das ist schon sehr bedenklich, das engt viele Mitarbeiter ein." Dem ist aber hinzuzufügen: Die Mitarbeiter dürfen in kurzen Hosen herumrennen und so sogar im Orchestergraben sitzen, wir Normalsterblichen müssen uns dagegen in den Anzug quälen und dann bei 33 Grad ohne Klimaanlage ein sogenanntes Bühnenweihfestspiel ertragen. Es wird Zeit, dass Bayreuth in der Zivilisation ankommt. Aber das will ja keiner. Bayreuth ist und bleibt ein Ort der Reaktion.

(w.g.)
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