Batgirl und der dunkle Ritter

"Batman: The Killing Joke" provoziert mit erotischen Grenzüberschreitungen.

In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlebten die USA einmal mehr eine Brit-Invasion, diesmal nicht durch Popbands, sondern durch schräge Comic-Künstler. Das uramerikanische Genre der Superhelden wurde durch Engländer, Schotten und Iren wie Neil Gaiman, Alan Moore und Dave Gibbons gründlich aufgemischt.

Eines der spektakulären Produkte dieser spannenden Ära war 1988 die Batman-Graphic-Novel "A Killing Joke", geschrieben von Alan Moore, gezeichnet von Brian Bolland. In ihr blieb die Grausamkeit des Superschurken Joker nicht mehr nur ritualisierte Gewaltanwendung gegen anonyme Statisten. Sie wurde sehr persönlich. Kernfiguren des Batman-Universums verloren ihre Unantastbarkeit, und die sexuelle Komponente der Katz-und-Maus-Spiele wurde brutal nach vorne gerückt.

Dass das Studio Warner Brothers nun ausgerechnet "The Killing Joke" als Animationsfilm umsetzen ließ, überrascht. Die Trickfilme und Trickserien aus dem Batman-Universum sollten bislang den verkrampften US-TV-Normen für Jugendfreiheit entsprechen. Will heißen, sexuelle Themen waren tabu.

Gerade die für die Filmversion von "A Killing Joke" hinzuerfundene Vorgeschichte aber verstößt gegen die altmodische TV-Prüderie - und gegen allerlei Fan-Empfindlichkeiten gleich mit. Denn die nächtlichen Eskapaden von Batgirl haben hier sichtlich viel mit Lust zu tun. Sie fühlt sich hingezogen zum dominanten Batman, und weil dieser sich nicht empfänglich zeigt, wird Batgirl verwundbar. Ein Mafia-Gockel, der ihren Triebstau erkennt, beginnt manipulativ mit ihr zu flirten, wobei die soziale Grenzüberschreitung - nämlich die Verbrechensserie - die Bereitschaft zur erotischen Grenzüberschreitung signalisiert. Letztlich löst sich das Dilemma, weil Batman und Batgirl dann doch Sex miteinander haben, was aber prompt ihre Arbeitsbeziehung ruiniert.

Das Figurendesign und die Szenerien weisen einen starken Noir-Charakter auf, das anime-typische Bewegungsmodell der Figuren wird aber nicht jedem behagen. Man kennt es aber schon von den anderen in Asien als Auftragsarbeiten gefertigten Batman-Trickfilmen. Auch für Anime-Verächter lohnt das Anschauen, schon, um die erhitzten Diskussionen im Netz besser einordnen zu können. Aus vielen vorgeschobenen Begründungen in Fanforen, warum dieser Film enttäuscht habe, ist nämlich deutlich das Unbehagen herauszulesen, dass die Charaktere hier einen Unterleib bekommen.

Zusammen mit den Hasstiraden gegen das weiblich besetzte "Ghostbusters"-Remake drängt das schon die Frage auf, welche Neurosen in der Popkultur noch immer gedeihen.

(RP)
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