Ausstellung "Schöne Bescherung" Auch Richter hat klein angefangen

Leverkusen · Eine Leverkusener Ausstellung im Museum Morsbroich befasst sich unter dem mehrdeutigen Titel "Schöne Bescherung" mit dem Frühwerk von Sigmar Polke und Gerhard Richter.

Vor 48 Jahren kostete Gerhard Richters grau verschwommenes Gemälde "Tiger" 9000 D-Mark. Heute würde es bei einer Ver,steigerung einen zweistellligen Millionenbetrag erzielen. Der "Tiger" ist der ganze Stolz des Museums Morsbroich in Leverkusen, jenes Hauses, das die Kommune jetzt glaubt nicht mehr finanzieren zu können.

Dabei dürfte keine andere Investition der Chemiestadt eine solche Rendite eingefahren haben wie diese zunächst unscheinbare Wildkatze. Der damalige Museums-Chef Rolf Wedewer hatte einen guten Riecher, als er das Bild drei Jahre nach dessen Entstehung erstand. Auch andere seiner Erwerbungen haben sich schon allein rechnerisch gelohnt.

Vom künstlerischen Gewinn der damals wachsenden Sammlung kann man sich nun einen Eindruck in der Ausstellung mit dem lapidaren Titel "Polke/Richter" und dem mehrdeutigen Untertitel "Schöne Bescherung" verschaffen.

Die Schau handelt von den Anfängen nicht nur der Kollektion, sondern auch der beiden deutschen Großkünstler Sigmar Polke (1941-2010) und Gerhard Richter (84). Wie eng sie einst in Düsseldorf zusammenarbeiteten, zeigt sich besonders amüsant auf einer Fotografie, die beide in einer Badewanne sitzend zeigt. Der Stöpsel allerdings baumelt vom Wannenrand: Gemeinsam gebadet also haben sie vermutlich nicht.

Später haben sie als Konkurrenten auf dem internationalen Kunstmarkt ohnehin ihre je eigene Richtung eingeschlagen. Obwohl sie beide in Köln lebten, gingen sie einander aus dem Weg.

Ihre frühen, teilweise sogar in Gemeinschaftsarbeit entstandenen Werke, die jetzt in Leverkusen wieder vereint sind, erzählen noch von Übermut und Experimentierfreude einer neuen Generation von Künstlern, die mit ihrem "Kapitalistischen Realismus" die Zeit des Wirtschaftwunders auf die Schippe nahmen.

Polke und Richter fanden ihre Motive vorzugsweise in Zeitungen, Werbebroschüren und Comics. Vor allem die Science-Fiction-Serie "Perry Rhodan" hatte es ihnen angetan. Sie versahen Bilder daraus mit neuen, das Original verulkenden Texten und schufen damit eine zwar gesellschaftskritische, aber keinesfalls bärbeißige Kunst. In Polkes Verwandlung des damals populären Comis "Diabolik" spricht der italienische Gentleman-Gangster auf Deutsch über Themen der Zeit.

Komischer Höhepunkt der Ausstellung ist die Abteilung, die der Schau den Untertitel lieh. Polkes "Schöne Bescherung" ist ein Sammelsurium von Collagen zum Thema Weihnachten. Vor allem das Boulevardblatt "Express" hat dem Künstler in die Hände gespielt - mit einer Fülle von Schlagzeilen, die das Fest allesamt als hohe Zeit des Konsums feiern: "Schöne Bescherung - 10.000 Mark pro Spiel zu gewinnen".

In einer Anzeige in Gestalt eines stilisierten Tannenbaums wendet sich ein Einrichtungshaus an seine "verehrte Kundschaft" und wünscht ihr mit durchgestrichenen und verbilligten Preisen ein "frohes Weihnachtsfest".

Nicht alle dieser Werke, die zu einem Drittel dem Museum gehören und im Übrigen Leihgaben sind, wollen den Besucher erheitern. Gerhard Richter legte damals den Grund zu den unscharfen Darstellungen, die ihn später berühmt machten und mit denen er die Frage stellte: Wahrnehmung - was ist das eigentlich?

Ein verschwommenes Porträt von Elizabeth II. offenbart in seiner Rasterung seine Herkunft aus einer Zeitung. Eine "Teydelandschaft", Darstellung des Kraters auf Teneriffa, lässt Assoziationen an Caspar David Friedrich gezielt ins Leere laufen. Als Grund der Unschärfe nannte Gerhard Richter einmal, dass man viel mehr darin sehe als in einem sogenannten scharfen Bild; "das Bild ist offener".

So gestaltet sich der Rundgang durch die Ausstellung vergnüglich und ernst zugleich.

Morsbroich hat uns noch viel zu bieten.

(B.M.)
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