Als Autodidakt nach Cambridge

"Die Poesie des Unendlichen" handelt von dem Mathe-Genie Ramanujan.

Mathematik mag eine faszinierende Sache sein, im Kino lässt sie sich nicht besonders gut darstellen. Gekritzel an der Tafel, brütende Gelehrte an überladenen Schreibtischen empfehlen sich nicht gut für bewegte Bilder. Dazu kommt das Klischee, Menschen, die sich Tag und Nacht mit Zahlenkolonnen beschäftigen, müssten langweilig sein. Dass Mathematiker nicht einfach nur lebensfremde Spinner sind, zeigt auf bewegende Weise das Drama "Die Poesie des Unendlichen", ein Auszug aus dem Leben des Inders Srinavasa Ramanujan (Dev Patel aus "Slumdog Millionaire").

Die Geschichte beginnt in Indien um 1913: Der 25-jährige Ramanujan arbeitet als einfacher Bürobursche, hat aber einen einmaligen Kopf für Zahlen und Formeln. Im Selbststudium erarbeitet der ehrgeizige junge Mann brillante Thesen, die ihren Weg quer durch die halbe Welt zum britischen Mathematikprofessor Hardy (Jeremy Irons) finden. Der ist fasziniert und holt den Wunderknaben zu sich ans elitäre Trinity College in Cambridge. Doch Hardy bleibt dort einer von Ramanujans wenigen Verbündeten. Der Erste Weltkrieg steht bevor, das Misstrauen gegen Ausländer ist groß. Auf dem Campus schlägt Ramanujan eisige Ablehnung entgegen. Und die Lehrer-Schüler-Beziehung zu Hardy erweist sich als schwierig, da Ramanujan sich weigert, die Erkenntnisse, die aus ihm heraussprudeln wie aus Mozart die fertigen Partituren, durch etwas so Profanes wie Beweise zu untermauern. Doch genau die verlangt Hardys gesamte Zunft, um Ramanujan anzuerkennen.

Die Hypothesen des Autodidakten Ramanujan (1887-1920) dienen Wissenschaftlern heute unter anderem als Basis für Studien über schwarze Löcher, die Quanten- und Stringtheorie. Hardy schätzte einmal seine eigenen mathematischen Fähigkeiten auf einer Skala von 1 bis 100 auf den Wert 25, Ramanujan aber gab er volle 100. Das ist keine Materie, in die man als Kinogänger einfach so mit vordringen kann, und US-Regisseur Matthew Brown macht auch nicht den Fehler, einen dorthin mitnehmen zu wollen. Stattdessen hält er sich an gediegene Bilder, lyrische Bonmots, ein paar simple Gleichungen auf das Leben. Und die konventionell aufgebaute, aber berührende Freundschaft zweier Männer, die alle Gräben von Epoche, Kultur und Alter überwinden konnten, einfach indem sie zusammen rechneten. So gefühlvoll waren Kettenbrüche seit "A Beautiful Mind" nicht mehr.

Es gehört zur Tragik Ramanujans, dass er so bald an Tuberkulose erkrankte, nach Indien zurückkehren musste und dort mit 32 starb.

(RP)
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