Eine Frage Des Stils Alltagskleidung in der Oper?

Früher war die Sache klar: schwarzer Anzug oder Smoking, sonst geht gar nichts. Heutzutage wird die Frage, wie man sich zu hochrangigen kulturellen Veranstaltungen wie einer Opern-, einer Theater- oder gar einer Festspielaufführung anzieht, sehr liberal beantwortet. Jedenfalls wird niemand mehr scheel angesehen, wenn er zu "Aida" in Zivilkleidung schreitet. Wer im Sommer direkt aus dem Park und im T-Shirt kommt, wird nicht an der Theaterpforte abgewiesen. Das ist gut so. Ich persönlich ziehe mir trotzdem fast immer Anzug oder Jackett an. Dann fühle ich mich wohler. Unauffälligkeit ist ja für uns Männer in den Tempeln der Kunst, wo alle in Gleichheit aufgehen, keine schlechte Sache.

Kurios ist, dass dies von Land zu Land anders ist. In England oder den USA gehen die Menschen überaus leger ins Konzert; bei den Proms in der Londoner Royal Albert Hall ist die Krawatte eine Rarität. In den romanischen Ländern wie Frankreich oder Italien hingegen wird feine Kleidung geschätzt; dort gibt es ja auch mehr Couturiers, die entsprechende Gewandungen herstellen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gilt das Prinzip, dass jeder für seine Peinlichkeit selbst verantwortlich ist.

Selbstverständlich sind es fast immer Männer, die sich solche Geschmacksfragen stellen oder mit ihrer weiblichen Begleitung diskutieren (müssen). "Kurt, das kannst du doch nicht anziehen!" - diese Strafpredigt hat schon mancher Mann zu hören bekommen. In der Tat sieht man selbst bei den Festspielen dieser Tage noch Herren, die in ausgebeulten schwarzen Anzügen von vor dem Krieg herumlaufen. Dagegen wirkt die chice Jeans mit dem eleganten weißen Hemd und dem cremefarbenen Sakko perfekt. Tracht geht neuerdings immer.

Frauen sind auch in diesen Fragen des Stils zu beneiden. Während wir Männer etwa in Bayreuth mit Sakko mannhaft dem Hitzetod entgegenfiebern, können sie luftig durch die Welt stöckeln, werden voller Bewunderung (von Männern) oder Neid (von anderen Frauen) angeschaut.

Sekunden vor Beginn der Ouvertüre allerdings ziehen alle Herren ihre Jacketts aus und betten sie auf ihren Oberschenkeln. Apropos Kühlung: Fächer sind selbst im Hochsommer eine Unart. Dieses permanente Gewedel im Blickfeld kann auch die größte Andacht des Kunstbetrachters auf dem Nachbarplatz schwer beeinträchtigen. Meistens stammt es übrigens von Damen, die bei 32 Grad noch Wollwaren tragen.

Ihre Fragen? Bitte unter "Eine Frage des Stils" an kultur@rheinische-post.de

(RP)
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