"A United Kingdom" Historisches Liebesdrama mit Lücken

In "A United Kingdom" steht die Ehe zwischen dem Kronprinzen Seretse Khama und der bürgerlichen Ruth Williams im Mittelpunkt.

Auf einer verqualmten Party sehen sich der Mann und die Frau über das Buffet hinweg zum ersten Mal an, und es ist sofort Liebe. So was passiert jeden Tag. Und doch ist das Allermeiste ungewöhnlich an der Verbindung zwischen Ruth und Seretse. Sie wird der Welt sogar ihren Stempel aufdrücken. Denn Ruth Williams ist schneeweiß und arbeitet 1947 in London als Bürokraft, eine bürgerliche Britin mit konservativer Erziehung.

Seretse Khama aber ist schwarz, hoch gebildet und zudem der Kronprinz von Betschuanaland, dem heutigen Botswana. In ein paar Wochen wird er sein Jurastudium in England beenden, danach soll er zu Hause seinen stellvertretend regierenden Onkel ablösen und den Thron besteigen.

Ruth und Seretse gehen ein-, zweimal zusammen aus. Dann kniet er schon im Licht einer Laterne vor ihr auf der Straße und bittet um ihre Hand. Seretse meint es sehr ernst, aber er hat auch Angst - und er braucht Ruths Jawort schnell. Bevor sie es sich anders überlegt, weil der gemeinsame Weg praktisch unmöglich zu gehen sein wird. Zuerst werden Ruths Eltern ihre Tochter wegen der "ungehörigen Beziehung" verstoßen, dann wird der Ältestenrat seines afrikanischen Stammes Ruth als weiße Königin ablehnen. Und das arrogante British Empire, unter dessen Protektorat Betschuanaland liegt und das vom benachbarten Apartheid-System in Südafrika Druck bekommt, wird sämtliche diplomatischen und politischen Mittel einsetzen, um die Mischehe aufzulösen.

Die Verlobung und Ehe von Ruth Williams und Seretse Khama klingen nach Heldenepos, so als wären beide für die Leinwand erfunden worden. Regisseurin Amma Asante ("Dido Elizabeth Belle") hält sich in "A United Kingdom" durchaus nicht immer an Jahreszahlen oder Fakten. Sie will vor allem eine große Liebesgeschichte erzählen. Die malerischen Panoramen und der hemmungslos schwelgerische Soundtrack erinnern nicht von ungefähr an "Jenseits von Afrika". Die Hauptfiguren haben nicht umsonst die Gesichter und das Charisma von Hollywoodstars. Das Herz soll hier über den Verstand siegen, nicht umgekehrt.

Ruth und Seretse bewegen sich ab dem Moment ihrer Hochzeit in einer feindseligen Öffentlichkeit. Ununterbrochen geraten sie mit herablassenden britischen Regierungsvertretern, zornigen Verwandten und hasserfüllt schweigenden Stammeshäuptlingen aneinander.

Politikerkonferenzen in getäfelten Sälen und Stammestreffen in sengender afrikanischer Hitze wechseln einander ab. Auch deshalb kehrt Asante immer wieder wie zur Rückversicherung in die Privatsphäre des verschworenen Liebespaars zurück, nur hier ist die Welt, wie sie sein soll. Sie zeigt Ruth und Seretse innig tanzend im Wohnzimmer, lachend im Bett, von einer besseren Zukunft träumend auf dem Fensterbrett vor einem rotgold angekitschten afrikanischen Sonnenuntergang.

So wichtig ist Asante die Kraft dieser Liebe, dass sie in der zweiten Hälfte alle historische Genauigkeit endgültig fallen lässt: Anders als das echte Paar Khama, das Anfang der Fünfziger vom britischen Commonwealth für Jahre ins Exil abgeurteilt wurde, verlässt im Film nur Seretse das Land. Ein bewusst gesetzter dramaturgischer Kniff, der das Paar trennt und die Spannung gleichzeitig erhöhen soll. Ruth, inzwischen schwanger und so noch verletzlicher als vorher, bleibt allein bei Seretses Stamm zurück, unbeugsam und eisern entschlossen, durchzuhalten.

Wohl auch wegen solcher Ungenauigkeiten wurde "A United Kingdom" bei den diesjährigen Oscars stillschweigend übergangen. Die Leistungen von Rosamund Pike und "Selma"-Star David Oyelowo sind allerdings herausragend und auch ohne renommierte Preise für großes Gefühlskino gut genug.

Und man darf auch nicht vergessen, dass Ruths Williams' und Seretse Khamas Errungenschaften - das bloße Überleben ihrer Ehe, das Überführen der Monarchie Betschuanaland in die Demokratie Botswana, 1965 dann sogar noch die erste Präsidentschaft des Landes - einen eigenen Film mehr als wert sind.

Mit ihrer Mischung aus intimer Romanze und Politdrama feiert Asante zwei Menschen, die nicht nur ihr Recht auf selbstbestimmtes Glück verteidigten. Sie waren auch in jeder anderen Hinsicht ihrer Zeit weit voraus.

(RP)
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