Herzrasen in Island Mein Nachbar, der Vulkan

Hvolsvöllur/Island (RPO). Der berühmteste Vulkan der Welt meldet sich zurück. Der Eyjafjallajökull spuckt seit einigen Tagen wieder mächtig Asche. Unser Autor war vor Ort und berichtet, was er dort gesehen hat.

 Gudmundur Vidarsson hat vor dem Vulkan so viel Angst wie vor seinem Pferd.

Gudmundur Vidarsson hat vor dem Vulkan so viel Angst wie vor seinem Pferd.

Foto: Sebastian Dalkowski

Der Tag, an dem Island untergeht, ist der Tag, an dem der Pferdebauer Gudmundur Vidarsson zu seiner Frau und den drei Kindern sagen wird: "Heute könnte es ein bisschen unangenehm werden." Vidarsson, Jahrgang 1964, wohnt seit seiner Geburt in Reichweite des seit April berühmtesten Vulkans der Welt, dem Eyjafjallajökull. Auch seine Eltern wohnten dort und seine Urgroßeltern und so fort. Seit 300 Jahren ist der Hof in Familienbesitz. Wenn Vidarsson davon erzählt, wie der Vulkan ausbrach, macht er das, wie andere von ihrem Sonntagsausflug erzählen.

Beim ersten Ausbruch im März, der in Island bloß der Touristenausbruch heißt, durfte er auf dem Hof bleiben, beim zweiten Ausbruch im April verließ er mit seiner Familie für eine Nacht sein Zuhause. Als er zurückkehrte, lag die Asche fünf Zentimeter hoch auf seinem Hof. Drei Tage lang karrten er und freiwillige Helfer die fort, dann war das Gelände wieder einigermaßen sauber. Nun liegen nur noch Reste auf den Wiesen und im leeren Whirlpool. Die will er erst entfernen, wenn der Vulkan aufgehört hat, Asche zu spucken.

Während er das erzählt, stößt dieser immer wieder dunkle Wolken in den Himmel und grummelt. Das mache ihm keine Angst, sagt er. Vor dem Haus spielen Kinder Fußball. Es ist Samstag und drei Tage später wird der Eyjafjallajökull wieder den Flugverkehr stören, wenn auch nur in Irland und Schottland.

Der Vulkan, der die Welt Mitte April aus dem Takt brachte, liegt in einer Gegend, in der es nicht auf die Minute ankommt. Der Weg Richtung Eyjafjallajökull führt vorbei an schwarzem Vulkangestein und blassen Wiesen und verstreuten Häusern. Die letzte Raststätte vor der Brücke, an der die internationalen Medienvertreter standen und Asche guckten, könnte auch in Moldawien stehen. Drinnen riecht es, als habe der Maler die Wände mit Fett angestrichen.

Es ist schwer zu glauben, dass in dieser Gegend im April etwas passierte, das die Pläne von Touristen in Frankfurt oder Geschäftsmännern in London durcheinanderwarf. Der Eyjafjallajökull war außer für Wanderer nicht mal für Isländer sonderlich interessant. Es war sein vierter Ausbruch und der erste seit 1823. Mittlerweile sind alle Bauern zurück auf ihre Höfe gekehrt, einige wenige hat es allerdings hart getroffen. Die Asche hat in Verbindung mit Regen die Weidewiesen und Äcker beschädigt.

Andere Gipfel im Umland waren zuvor deutlicher berühmter. Nur ein paar Kilometer neben ihm liegt der eigentliche Superstar der Insel, der Vulkan Hekla. Der bricht ungefähr alle zehn Jahre aus und hat den Boden in der Gegend mit seiner Asche schwarz gefärbt. Ebenfalls nicht weit entfernt, vor der Küste, liegt die Insel Heimaey. Dort brach 1973 ohne Vorwarnung ein neuer Vulkan aus, der Eldfell. Die Inselbewohner wurden sofort aufs Festland gebracht. Fünf Monate später hatte sich der Vulkan wieder beruhigt, die Insel war um zwei Quadratkilometer gewachsen, knapp 300 Häuser waren unter Lava verschüttet. Seitdem heißt die Insel das "Pompeji des Nordens".

Knapp 30 aktive Vulkane gibt es auf Island. Die meisten Bewohner haben Respekt vor ihnen, aber keine Angst. "Leute, die sich vor den Vulkanausbrüchen fürchten, sind Leute, die wenig über Vulkanausbrüche und die Folgen wissen", sagt Ágúst Gunnar Gylfason vom Amt für Zivilschutz in Island. Dass die Bewohner gelernt haben, mit den Vulkanen in der Nachbarschaft zu leben, liegt auch daran, dass es Island ohne Vulkane nicht geben würde. Im Grunde ist Island ein einziger Vulkan mit vielen Kratern. Die Insel ist Teil des mittelatlantischen Rückens, ein Gebirge, das größtenteils unter der Wasseroberfläche liegt. Dort entfernen sich die nordamerikanische und die eurasische Platte voneinander, jährlich einige Millimeter. Dass Island aus dem Wasser ragt, hängt laut der gängigen Theorie damit zusammen, dass die Insel unter der so genannten Island-Plume liegt. Das ist ein Aufstrom von heißer Lava, die sich nicht nur durch die Spalte zwischen den beiden Platten drückt und Gebirge auftürmt, sondern die ganze Insel anhebt.

Dass die Isländer nicht bei jedem Grollen zum Flughafen stürmen und das Land verlassen, liegt auch daran, dass sie auf Vulkanausbrüche vorbereitet sind. Wissenschaftler der Universität von Island überwachen die Vulkane und informieren gegebenenfalls das Amt für Zivilschutz. Drei Warnstufen gibt es. Bei der höchsten, "emergency", informiert das Amt die Bewohner per Telefon und SMS, dass sie ihr Haus verlassen müssen. Für die Betroffenen werden Notunterkünfte eingerichtet.

Als der Eyjafjallajökull ausbrach, weigerten sich einige Bewohner, ihr Haus zu verlassen. Sie sagten, sie wohnten jetzt schon so lange dort, das müssten sie ja für den Vulkan nicht ändern. Erst als die Polizei kam, gingen sie mit.

Wer gerade nicht die Zeit und das Kleingeld hat, um sich den Eyjafjallajökull aus der Nähe anzusehen, kann ihn sich hier in der Live-Webcam ansehen.

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