RP Plus "Wir wollen keinen Rockerkrieg"

In Köln stehen sich Rocker der Hells Angels unversöhnlich mit den Konkurrenten von Median Empire gegenüber. Azad (31) ist der Präsident des Kölner Chapter von Median Empire. Im Interview spricht er über eine mögliche Eskalation des Rockerstreits, über sein Verhältnis zur Polizei – und darüber, was einen guten Rocker ausmacht.

 Der Chef des Kölner Chapters des Rockerclubs Median Empires will nicht erkannt werden.

Der Chef des Kölner Chapters des Rockerclubs Median Empires will nicht erkannt werden.

Foto: Sven Grest

In Köln stehen sich Rocker der Hells Angels unversöhnlich mit den Konkurrenten von Median Empire gegenüber. Azad (31) ist der Präsident des Kölner Chapter von Median Empire. Im Interview spricht er über eine mögliche Eskalation des Rockerstreits, über sein Verhältnis zur Polizei — und darüber, was einen guten Rocker ausmacht.

Ich wurde am Treffpunkt abgeholt und zu diesem Interview-Termin gebracht. Warum diese Vorsichtsmaßnahme?

Wir wollten Sie nicht lange suchen lassen.

Sie sind Präsident des Kölner Chapter des Rockerklubs Median Empire. Was unterscheidet Sie von anderen Rockern wie den Hells Angels oder Bandidos?

Median Empire wurde von Migranten gegründet. Wir machen bei unseren Mitgliedern keine Unterschiede zwischen Herkunft und Hautfarbe.

Das ist bei anderen Rockerklubs anders?

Die Hells Angels und Mongols nehmen beispielsweise grundsätzlich keine Farbigen auf.

Was bedeutet denn "Median Empire"?

Median Empire ist der englische Ausdruck für das medische Reich, die historische Heimat der Kurden.

Wie ist das Verhältnis zwischen Median Empire und den anderen Rockerklubs in Köln?

Wir wollen keinen Rockerkrieg. Aber leider versuchen andere Rockerklubs außerhalb Kölns, uns gegen ihre eigentlichen Feinde aufzuhetzen, um einen Krieg zwischen uns und den Hells Angels anzuzetteln.

Ist das der Hintergrund für die Auseinandersetzungen in der vergangenen Woche?

Ja. Der Streit entstand, weil jemand die Buchstaben "BFFB" an eine Kölner Hauswand gesprüht hat. Die Zeichen stehen für "Bandidos forever, forever Bandidos". Das haben die Hells Angels als Provokation aufgefasst. Mit 30 Personen sind sie in die Cocktailbar Bubble Lounge gekommen, die einem unserer Mitglieder gehört. Sie gingen davon aus, dass wir für das Graffito verantwortlich sind, weil wir mit den Bandidos befreundet waren.

Was passierte dann?

Zu Handgreiflichkeiten kam es nicht. Nachdem Nachbarn die Polizei gerufen hatten, hat sie das Treffen aufgelöst. Noch einmal: Wir wollen keinen Rockerkrieg in Köln. Aber ich weiß nicht, wie lange wir der ständigen Provokationen standhalten können. Die Lage spitzt sich zu.

Woher stammt der Streit zwischen den Rockerklubs?

Die Spannungen zwischen Hells Angels und Bandidos sind ja inzwischen legendär. Was Median Empire angeht, werden wir in Köln von den Hells Angels geduldet, aber nicht akzeptiert. Klar, dass dies Spannungen auslöst.

Wie viele Rocker gibt es in Köln?

Die Zahl der Bandidos ist verschwindend gering. Die Hells Angels dagegen sind derzeit mit mindestens 100 Personen in Köln vertreten. Zur Mitgliederzahl von Median Empire ist nur so viel zu sagen: Sie hat sich in den vergangenen Monaten verdreifacht.

Sie haben einmal gesagt: 'Wenn wir nur Harley fahren und Kutten tragen wollten, wären wir ein Karnevalsverein'. Worum geht es bei einer Rockerbande wie Median Empire wirklich?

Es geht darum, in einer Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Und gemeinsame Werte der Bruderschaft zu teilen: Respekt, Loyalität, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit.

Tragen Sie gerade eine Waffe bei sich?

(schmunzelt) Nein.

Immer wieder kommt es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Rockerbanden. Wenn andere mit Gewalt drohen, könnten Sie doch auch zur Polizei gehen.

Das ist unmöglich. Denn das würde den Kodex der Rocker verletzen.

Dennoch haben Sie öfter mit der Polizei zu tun.

Die Polizei beobachtet uns. In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Razzien bei uns, zuletzt wurden am Samstag zwei von uns von Polizisten angegangen. Sie mussten sich an die Wand stellen, wurden gefilzt und mussten mit auf die Wache. Und das nur, weil einer von ihnen keinen Personalausweis dabei hatte.

Rockerbanden werden immer wieder in Verbindung mit organisierter Kriminalität gebracht. Zurecht?

Die Vorwürfe treffen auf uns definitiv nicht zu. Wir haben nichts zu tun mit Prostitution, Drogen oder Geldwäsche. Wir gehen ganz normal arbeiten, das zeigen die Berufe unserer Mitglieder. Unter uns sind Elektriker, Schlosser und Akademiker.

Wie groß ist Ihr Vertrauen in den Rechtsstaat?

Recht ist nicht unbedingt mit Gerechtigkeit gleichzusetzen. Wir lehnen den Rechtsstaat nicht ab, aber wenn man die aktuelle Weltpolitik betrachtet, muss ich sagen, dass ich mir Gerechtigkeit anders vorstelle.

Warum entscheidet man sich, Mitglied bei Median Empire zu werden?

Weil man hört, dass wir anders sind als die meisten anderen Klubs. Weil wir eine große Familie sind, die ihre Mitglieder nicht ausbeutet, sondern ihnen Schutz bietet.

Dafür zahlt man Geld.

Wie bei allen anderen Rockerklubs auch zahlt man einen Mitgliedsbeitrag, der für gemeinsame Aktionen und Ausflüge verwendet wird.

Haben Sie eine Harley Davidson?

Ja.

Und einen Führerschein?

Der ist noch in Arbeit.

Was macht einen guten Rocker aus?

Er ist mutig, ehrlich, zuverlässig, loyal — und respektvoll gegenüber jedem, der ihm auch Respekt entgegenbringt.

Es heißt, Median Empire hat in Köln "vier Türen". Stimmt das?

Es sind mittlerweile fünf. Türen zu besitzen, bedeutet, dass wir die Türsteher in fünf Klubs in und um Köln stellen. Wir arbeiten daran, noch mehr Türen zu bekommen.

Dabei geht es wahrscheinlich auch um Geld.

Es geht hauptsächlich darum, eine Beschäftigung für unsere Leute zu finden.

Wie sind Sie selbst zum Rocker geworden?

Ich habe mich früh für das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Rockergang begeistert. Mit 29 Jahren bin ich bei den Kölner Mongols MC eingetreten. Doch alles, was ich dort erlebt habe, war anders als erwartet. Weil es mir nicht gefallen hat, wie die Mitglieder in Klubs wie diesen behandelt werden, habe ich zusammen mit Freunden im November 2011 den Klub Median Empire Dark City gegründet. Wir wachsen kontinuierlich und legen Wert darauf, dass wir ein eigenständiger Klub sind. Wir sind keine Supporter von irgendjemandem. Inzwischen gibt es sogar weitere Chapter von Median Empire auf der ganzen Welt: In Dubai, Schweden, und sogar in den USA. In Iowa haben US-Soldaten einen Supporter-Klub für Median Empire gegründet.

Angenommen, ein Mitglied entscheidet sich, Median Empire endgültig den Rücken zu kehren. Kündigt man einfach die Klubmitgliedschaft?

Ein Austritt ist eigentlich nicht vorgesehen. Je nach Lebenssituation kann dies in Einzelfällen genehmigt werden. Ich würde aber nicht sagen, dass es unproblematisch wäre.

Gibt es etwas, wovor Sie Angst haben?

Nein.

(gre)
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