Verhüten per Handy-App Smartphone statt Kondom

Mit neuartigen Verhütungs-Apps sollen Paare auf die Pille und auf Kondome verzichten können. Bahnt sich eine Revolution in Sachen Verhütung an?

 Frau mit Smartphone (Symbolbild).

Frau mit Smartphone (Symbolbild).

Foto: Nito/shutterstock.com

Das Prinzip ist einfach: Zeigt die App auf Grün, bedeutet das: Sex ohne Verhütung steht nichts im Wege. Zeigt die App rot, kann die Frau schwanger werden und das Paar sollte zusätzlich verhüten. Glaubt man den App-Betreibern solcher Verhütungs-Apps, kann das Smartphone im Digitalen Zeitalter Pille und Kondom ersetzen. Das Prinzip: Die Frau gibt ihre zyklusbedingten Werte täglich in die App ein, die ihr dann fruchtbare Tage, Eisprung sowie Menstruation vorhersagen. "Natural Cycles" ist eine von ihnen — und die erste, die vom Tüv zertifiziert wurde.

Die Nutzung erscheint simpel: Frauen messen täglich ihre morgendliche Temperatur und tragen diese in die App ein. Auf Grundlage eines Algorithmus‘ berechnet "Natural Cycles" die fruchtbaren Tage. So sollen kleinste Temperaturschwankungen — ein Indiz für den Eisprung — nachgewiesen werden. Die App verspricht eine 99,5 prozentige Sicherheit bei korrekter Anwendung. Eine Revolution in Sachen Verhütung? In England wird bereits darüber diskutiert, ob die monatlichen Kosten der App von 5,40 Euro (im Jahresabo) von der Krankenkasse übernommen werden.

TÜV überprüft nicht den Pearl-Index

In Deutschland ist es noch nicht soweit. Der TÜV Süd hat die App als Medizinprodukt zertifiziert. TÜV-Sprecher Thomas Oberst sieht das Zertifikat aber falsch verstanden. "Wir überprüfen, ob die App so funktioniert, wie es der Hersteller angibt", sagt Oberst. "Zum Beispiel, dass die eingegeben Daten richtig verarbeitet werden und dass das Ergebnis korrekt dargestellt wird." Eine Aussage über die Zuverlässigkeit der Verhütung mache der Tüv mit dem Zertifikat jedoch nicht. "Wir überprüfen die Funktionen der App, treffen aber keine Aussage über den Pearl-Index", sagt Oberst. Der Pearl-Index gibt an, wie viele Frauen jährlich trotz der Verhütung schwanger werden.

App unterliegt zahlreichen Störfaktoren

Laut Bundesverband der Frauenärzte sind Verhütungscomputer und -Apps nur für Frauen geeignet, die eine sehr regelmäßige Lebensführung sowie einen regelmäßigen Zyklus haben. Denn die Körpertemperatur könne auch ohne Eisprung Schwankungen unterliegen. Die Körpertemperatur steige beim Ausschlafen, nach dem Sex, bei abendlichem Sport, auf Reisen oder unter Stress an, erklärt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Diese Temperaturschwankungen müssten berücksichtigt werden, denn sonst könne es dazu führen, dass die App einen Eisprung errechnet, der noch nicht stattgefunden hat. "Wenn die Frau nach einer solchen Temperaturerhöhung aufhört, Barrieremethoden zu verwenden, kann das zu einer unterwünschten Schwangerschaft führen", sagt Albring.

Die Hersteller haben einige Störungen zwar mit einbezogen und weisen darauf hin, dass eine Messung an Tagen, an denen die Frau geänderte Schlafzeiten oder Alkohol getrunken hat, keinen Sinn macht — doch für Experten genügt das nicht. Albring plädiert dafür, dass nur Paare, die im Zweifelsfall auch bereit für ein Kind wären, eine solche Verhütungsmethode anwenden. "Wenn eine Frau eine wirklich sichere Verhütung braucht, sind alle natürlichen Methoden nicht geeignet", sagt Albring und verweist darauf, dass auch hormonelle Methoden nur sicher sind, wenn diese korrekt angewendet werden.

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