Interview Rasenmäher statt Manta

Michael Kessler ist für den RBB mit einem Esel gewandert, mit dem Klapprad von Kopenhagen nach Berlin gefahren und mit einem Hausboot auf der Havel getuckert. Nun ist er für "Kesslers Expedition" mit einem sechs Stundenkilometer schnellen Rasenmäher auf den Brocken geschlichen. RP Plus hat mit ihm gesprochen.

 Ein Leben ohne Funktionskleidung ist nicht möglich — Michael Kessler auf dem Weg zum Brocken.

Ein Leben ohne Funktionskleidung ist nicht möglich — Michael Kessler auf dem Weg zum Brocken.

Foto: RBB

Michael Kessler ist für den RBB mit einem Esel gewandert, mit dem Klapprad von Kopenhagen nach Berlin gefahren und mit einem Hausboot auf der Havel getuckert. Nun ist er für "Kesslers Expedition" mit einem sechs Stundenkilometer schnellen Rasenmäher auf den Brocken geschlichen. RP Plus hat mit ihm gesprochen.

Erzählen Sie mir die Geschichte vom Toast mit dem Totenkopf.

Michael Kessler Ja, der Toast mit dem Totenkopf… Wir fuhren an einem See entlang und sahen dort drei Männer an einem Bootsverleih stehen. Die haben gerade ihre Boote winterfest gemacht. Erst mal habe ich ihnen den Rasen gemäht und dann mit den Booten geholfen. Als Gegenleistung hat uns einer von ihnen Würstchen mit Toast gemacht. Sein Toaster konnte Totenköpfe auf die Toastscheiben rösten. Das hatte ich noch nie gesehen. Ich lerne also immer noch dazu auf meinen Reisen.

Ich kenne einen Toaster, der das Logo der Drei Fragezeichen auf die Scheiben brennt.

Der wäre was für den Pastewka.

Wenn Sie an Ihre Fahrt von Berlin zum Brocken zurückdenken und die ganzen Begegnungen — welche ist die erste, die Ihnen einfällt?

Die mit Gabor. Wir fuhren in ein Dorf, in dem uns ein Kleinbus mit abgedunkelten Scheiben entgegenkam. Vorne saßen zwei Frauen. Der Bus hielt und die Frauen fragten mich, ob ich einen "verrückten Rollstuhlfahrer" sehen möchte. Das bejahte ich natürlich. Sie öffneten die Schiebetür, und da saß der 27-jährige Gabor in seinem High-Tech-Rollstuhl. Er kann nur eine Hand bewegen, sein Handy bedient er mit der Zunge.

Warum saß er im Rollstuhl?

Er hatte einen Badeunfall an der Ostsee und ist seitdem querschnittsgelähmt. Seine geliebte Musik musste er an den Nagel hängen. Aber Gabor war so cool und offen. Er hat uns spontan eingeladen, weil er in der Nähe wohnte, und uns sein umgebautes Haus gezeigt. Diese Begegnung hat mich sehr bewegt.

War der Rollstuhl schneller als der Rasenmäher?

Wir haben festgestellt, dass wir beide mit sechs Stundenkilometern unterwegs sind.

Warum fährt Ihr Rasenmäher eigentlich nur sechs Stundenkilometer?

Wäre er schneller gewesen, hätte ich ein Kennzeichen gebraucht. Deshalb haben wir ihn gedrosselt. Sonst hätte ich unglaubliche sieben Stundenkilometer fahren können. Sechs Stundenkilometer entschleuningen — wenn man sich auf sie einlässt. Ich habe wirklich viel mehr mitbekommen, konnte viel mehr gucken und bin zur Ruhe gekommen.

Haben Sie auch anders gedacht bei sechs Stundenkilometern?

Sie meinen, langsamer?

Anders.

Ja. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, wenn ich auf einem Waldstück meinem Team hinterherfuhr und keine Sau im Wald unterwegs war. Es passiert bei so einem nicht geplanten Dreh auch schon mal zwei Stunden gar nichts.

Dürfen Sie mit sechs Stundenkilometern überhaupt auf der Straße fahren?

Sind Sie von der Polizei? Bei der Klapprad-Expedition fragten die Leute auch, warum ich keinen Helm trage. Ich kann Ihnen das nicht sagen, wir durften es vermutlich nicht. Aber ich habe meinen Arm als Blinker eingesetzt. Ich bin in Köln erst neulich wieder einem dieser Rentner begegnet, die in diesen Wägelchen fahren, bei denen ich mich frage: Wollen die nicht mehr laufen oder können die nicht? Und der fuhr auch auf der Straße. King of the road!

Wurden Sie nicht von sehr vielen wütenden Autofahrern im Feierabendverkehr überholt? Oder anders gefragt: Wie viele Mittelfinger wurden Ihnen gezeigt?

Keine. Im tiefen Sachsen-Anhalt gibt es keine wirkliche Rush Hour, außerdem bin ich sehr am Rand gefahren. Aber es gab genug Leute, die mich überholt haben, dann gewendet und auf mich gewartet haben, um zu fragen, was ich da eigentlich mache. Viele kennen die "Expedition". Das Land nimmt Anteil.

Das Land freut sich vermutlich auch, wenn das Fernsehen kommt.

Das Land freut sich tierisch. Brandenburg sowieso. Viele stehen schon am Zaun und rufen: "Hallo, Herr Kessler!" Ich freue mich, dass die Menschen so eine Freude an der Sendung haben. Der Tourismus hat es nach wie vor nicht leicht. Ich sage jedem: Fahrt da hin. Den Ostdeutschen, wie wir ihn uns immer vorstellen, gibt es so gar nicht.

Wurden Sie häufiger auf Ihre Rolle in "Manta, Manta" oder ihre Jauch-Parodie angesprochen?

Das ist unterschiedlich. Was ich gar nicht mehr so auf dem Schirm hatte, war, dass "Manta, Manta" nach der Wende einer der ersten großen Filme für Gesamtdeutschland war. Der Film wird auch im Osten noch immer heißgeliebt. Jüngere sprechen mich auf "Switch" an, die älteren auf die "Expedition". Viele wollen wissen, wie es dem Esel geht.

Sie meinen Elias aus Staffel 2. Wie geht es ihm denn?

Dem geht es super in der Uckermark.

Sie haben gesagt, es gibt den Ostdeutschen nicht, wie wir ihn uns immer vorstellen. Aber ich kann nicht glauben, dass es nur schöne Begegnungen gibt.

In der neuen Staffel ist uns oft das Thema Tod begegnet. An einem Morgen bin ich einem rauchenden Rentner begegnet. Und er hat mir erzählt, dass er gerade aus dem Krankenhaus kommt und sterbenskrank ist. Eine andere Dame erzählte, dass ihre Enkelin mit 15 an Krebs gestorben ist. Auch diese Themen haben in meiner Sendung ihren Platz. Ich schätze die Offenheit der Menschen. Sie wissen inzwischen aber auch, dass Sie mir vertrauen können. Niemand wird bei mir vorgeführt. Ich frage mich, ob ich im Westen auch auf diese Offenheit treffen würde. In Sachsen-Anhalt fahre ich zum Beispiel durch ein Dorf, dann geht eine Tür auf und die Helga guckt raus.

Und dann passiert was?

Sie winkt mich her, wir halten an, landen in einer Garage mit selbstgemachtem Eierlikör, weil Helga gerade 60. Geburtstag feiert, und ich setze mich dazu. Es werden 14 Kuchen aus dem Kühlschrank geholt und wir reden drauflos, als ob ich seit Wochen eingeladen wäre. Die Kamera beachtet niemand. Das ist einfach toll.

Sie haben den Osten jetzt mehrfach durchquert. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie dort keinen einzigen Nazi gesehen haben.

An der Formulierung Ihrer Frage müssen Sie aber noch mal arbeiten. Natürlich gibt es Rechtsextremismus in Ostdeutschland, es gibt ihn aber auch in Westdeutschland. Und es sind uns auch Reichskriegsflaggen oder Glatzenträger begegnet, die sich demonstrativ wegdrehten, als sie die Kamera sahen. Wie gut, dass es aber auch Menschen gibt, die ein durchgestrichenes Hakenkreuz auf der Lederjacke tragen und mit mir über das Problem vor der Kamera sprechen.

In einem Facebook-Posting schrieb jemand: "Lieber Michael, ich bin ein absoluter Fan von dir, aber meint Ihr nicht, dass Ihr momentan eine gute Idee zu sehr auslutscht?"

Das war ein Eintrag. In allen anderen Einträgen fragen die Leute, wann die nächste Staffel läuft. Die "Expedition" ist momentan eines der erfolgreichsten Formate im rbb-Fernsehen und wir arbeiten daran, dass das auch so bleibt. Die "Expedition" ist ehrliches Fernsehen, die Begegnungen und Gespräche sind spontan und authentisch. Genau daran sind viele Zuschauer interessiert.

Was reizt Sie denn noch an dem Format?

Die Menschen und ihre Geschichten. Und solange die Zuschauer und ich darauf neugierig bleiben, ist doch alles gut.

Die erste Folge läuft am Freitag, 30. November, ab 20.15 Uhr im RBB.

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