Virtual-Reality-Brille Samsungs Gear VR im Test - Blick in virtuelle Weiten

Düsseldorf · Samsungs Gear VR macht für rund 100 Euro das Smartphone zur Virtual-Reality-Brille. Das mit Oculus VR entwickelte Modell ist eines der ersten auf dem Markt. Neben einigen Vorzügen hat es allerdings eine entscheidende Schwäche.

CES 2016 - im Test: Samsung Gear VR - die virtuelle Brille
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Im Test: Samsung Gear VR - die virtuelle Brille

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Foto: dpa, tsn ah

Es rauscht, sehr. Mit jeder Sekunde fallen über 100 Kubikmeter Wasser den Gullfoss-Wasserfall im Südwesten Islands herunter. Wassernebel liegen in der Luft, Strudel und Schaumwellen durchfurchen die Wassermassen des Flusses Hvitá.

Ein beeindruckendes Schauspiel, das auf dem Bürostuhl in Deutschland nur deswegen nicht ganz real wirkt, weil der Wassernebel des Gullfoss den Bildschirm in Samsungs Virtual-Reality-Brille Gear VR eben nicht durchbricht und sich auf das Gesicht legt. Und weil es nicht isländisch kalt, sondern unter der Kombination aus Smartphone und 3D-Brille eher tropisch warm ist.

2016 wird das Jahr der virtuellen Realität (VR.) Zumindest wenn es nach den Herstellern geht. Im Rennen von Oculus, HTC oder Sony um die erste marktreife VR-Brille hat Samsung mit Hilfe von Oculus zunächst die Nase vorn. Während die Konkurrenz auf Komplettsysteme mit eigenen Bildschirmen setzt, wird bei der Gear VR (circa 100 Euro) ein aktuelles Smartphone von Samsung angeschlossen und übernimmt die Rolle des Bildschirms. So weit, so einfach.

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Die Gear VR erinnert eine übergroße Skibrille. In ihr sind einige Sensoren verbaut, zwei Linsen, ein Touchpad und diverse Schalter. Die Installation geht recht flott. Das Smartphone (die aktuelle Ausgabe der Gear VR funktioniert mit dem Galaxy S6, S6 Edge, S6 Edge+ und dem Note 5) wird an den USB-Anschluss vorne an der Brille angeschlossen. Dann wird die nötige Software und der Zugang zum Oculus-Store heruntergeladen. Hier gibt es auch alle weiteren Apps - von VR-Kino über Spiele bis hin zu 360-Grad-Fotos und -Videos.

Im Test flimmert eine ganze Reihe von Apps über den für ein Smartphone mit 2560 zu 1440 Pixel ziemlich hochauflösenden Bildschirm des verwendeten Galaxy S6 Edge+. Wir reisen durch die menschliche Blutbahn, tauchen durch Riffe voll mit bunten Fischen, schweben über Island und kämpfen uns im Weltall durch Schwärme von lasernden Raumjägern. Praktisch auch: Mit der Brille lassen sich viele spannende Urlaubsorte schon einmal aus der Ferne erkunden.

Das VR-Erlebnis ist dabei sehr positiv: Sobald die Brille auf dem Kopf ist, sitzt man gefühlt in einer anderen Welt - während man sich eigentlich nur auf einem Bürostuhl dreht. Vorne, hinten oben oder unten - überall lässt sich etwas entdecken.

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Auch einen auf die Brille abgestimmten Browser hat Samsung entwickelt. So kann man mit der Gear VR halbwegs komfortabel im Netz stöbern, mit der Netflix-App lassen sich Filme streamen. Da im VR-Modus pro Auge nur eine Bildschirmhälfte genutzt wird, sinkt die Auflösung auf 1280 zu 1440 Pixel. Durch die starke Vergrößerung der Brillenlinsen sieht man schnell die Pixelstruktur des Displays. Auch die Bildränder sind leicht verschwommen.

Gesteuert wird per Kopfbewegung und über das kleine Touchpad am Brillenrand, das allerdings für viele nervige Fehleingaben sorgt. Ein weiteres Problem ist das Gewicht. Zusammen mit dem knapp 150 Gramm schweren S6 Edge+ wiegt die Kombination rund 450 Gramm. Die gute Passform und die Polsterung machen das am Anfang wett. Doch nach einigen Minuten sitzt die Gear VR schwer im Gesicht. Dazu kommt die Wärme, die sich bei längerem Gebrauch in der Brille staut.

Trotzdem macht der Ausflug in die virtuelle Realität Spaß und sorgt für Neugierde bei Besuchern, die das Gerät auf dem Tisch liegen sehen. Und da sich VR ebenso schlecht beschreiben lässt, wie sich sinnvolle Fotos von den VR-Inhalten machen lassen - die Brille ist dank Annäherungssensor nur aktiv, wenn sie vor den Augen sitzt - hilft nur Ausprobieren.

Das sorgt regelmäßig für faszinierte Reaktionen, falls den Testern nicht etwas übel wird. Zwar ist VR-Übelkeit ("Motion Sicknes") bei Weitem nicht mehr so ein Problem wie früher. Sensible Nutzer leiden aber bei abrupten Bewegungen, virtuellen Treppenlaufen oder Ereignissen, die sich am Rande des Gesichtsfeldes abspielen noch immer ein wenig.

Das Fazit nach einer Woche mit der Gear VR: Wer schon eines der neuen Samsung-Flaggschiffe hat, kann es für knapp 100 Euro in eine unterhaltsame VR-Brille verwandeln, die ohne störende Kabel und teuren Zusatzcomputer funktioniert. Die Videos, Panoramabilder und Spiele aus dem Oculus-Store machen Spaß, das App-Angebot ist zum Start schon ansprechend groß, außerdem gibt es zahlreiche kostenlose Apps zum Reinschnuppern.

Hat man allerdings noch gar kein Galaxy S6, S6 Edge, S6 Edge+ oder Note 5 kann man sich überlegen, ob man mit Samsung auf die Reise in virtuelle Welten gehen will: Die Kombination aus der 100 Euro teuren Brille und dem - je nach Modell und Ausstattung - rund 550 bis rund 1000 Euro teuren Smartphone ist dann nämlich nicht ganz günstig.

(dpa)
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