Finanzierung wie beim Stromberg-Film Das steckt hinter Crowdfunding

Düsseldorf · Der Kinofilm rund um den Exzentriker-Chef Bernd Stromberg ist das erfolgreichste Beispiel, wie Projekte über das Internet finanziert werden können. Davon profitieren nicht nur Produzenten oder Erfinder, sondern auch der Investor selbst.

Was alle 60 Sekunden im Internet passiert
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Foto: afp, JOHN MACDOUGALL

Nach fünf Staffeln Büro-Alltag und Chef-Kultur kommt "Stromberg" als Kinofilm in die deutschen Filmsäle. Neben dem ungewohnten Format birgt "Stromberg — Der Film" eine weitere Besonderheit: Es ist das bisher größte deutsche Crowdfunding-Projekt.

Crowdfunding, zu deutsch "Schwarmfinanzierung" genannt, ist eine boomende Art der Finanzierung für verschiedenste Projekte über das Internet. Dabei stellen Personen ihre Produkte, Vorhaben und Anliegen in verschiedenen Online-Plattformen vor und geben einen Mindestbetrag an finanziellen Mitteln an, den sie für die Realisierung ihrer Idee benötigen.

Danach können die Nutzer der Plattform einen Beitrag in Form von niedrigen Geldbeträgen dazu leisten, dass der Ideengeber nicht an der finanziellen Hürde scheitert, wenn sie das Vorhaben für unterstützenswert halten und darin eine Zukunft sehen.

Eine Million Euro binnen weniger Wochen

Im besten Fall jedenfalls, und so wie beim Projekt "Stromberg". Die benötigte Summe von immerhin einer Million Euro kam Ende 2011 innerhalb einer einzigen Woche zusammen — auch für die Macher überwältigend. "Wir sind intern eigentlich davon ausgegangen, dass wir sechs Monate brauchen", sagte Frédéric A. Komp, zuständig für die Film-Finanzierung, in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Das Konzept, Projekte durch eine Vielzahl kleiner Investoren zu verwirklichen, fand sich erstmals 2003 in den USA und etabliert sich seit 2011 mehr und mehr auch in Deutschland.

Ursprünglich als Starthilfen für Musiker gedacht, hatten Websites wie "SellaBand" das Ziel, je 50.000 US-Dollar für Musiker und Bands mit der Hilfe sogenannter Believer zu erreichen, um ein Album zu produzieren. So konnte beispielsweise die Band Nemesea mit 528 Unterstützer zusammen ihr Album "In Control" aufnehmen. In den vier Jahren danach finanzierten sich 50 weitere Bands über diese Website.

Kickstarter erreicht Volumen von 715 Millionen Euro

Mittlerweile wird über Crowdfunding-Plattformen eine ganze Bandbreite von Projekten finanziell unterstützt. Allein die Internetpräsenz kickstarter.com hat seit ihrer Gründung im Jahr 2009 zum heutigen Stand über 56.000 Ideen mit einem Volumen von insgesamt 984 Millionen US-Dollar (umgerechnet rund 715 Millionen Euro) verwirklicht. Damit wurde beinahe die Hälfte aller Vorhaben tatsächlich auch umsetzbar — eine unfassbare Quote.

In Deutschland stieg das Volumen von 0,9 Millionen Euro 2011 auf geschätzte 20 Millionen Euro im Jahr 2013, weltweit wurden 2012 2,7 Milliarden Euro über Internet-Plattformen gesammelt.

Zusätzlich zu den nationalen Plattformen gibt es mittlerweile mehrere regionale Crowdfunding-Initiativen. Diese dienen vor allem Projekten in der jeweiligen Gegend und der unmittelbaren Region, um lokalen Start-Ups eine Starthilfe zu geben.

Warum aber investieren Menschen im Internet in solche Projekte? Abhängig von Plattform und Projekt erhalten die Investoren verschiedene Gegenwerte.

Ein Euro pro Kinokarte an Investoren

Das sind bei Künstlern eher ideelle Dinge, ein handsigniertes Album oder eine Einladung zur nächsten Ausstellung, bei Großprojekten wie "Stromberg" gibt es für jede verkaufte Eintrittskarte einen Euro an die Geldgeber zurück, sollte gar die eine Million refinanziert sein, zusätzlich 50 Cent pro Karte.

Nicht zu unterschätzen sind Beweggründe, die nicht auf Erfolg abzielen: Unterstützung von Projekten die beispielsweise der Nachhaltigkeit dienen, der persönliche Geschmack für Kunst und Musik oder die Absicht, eine Alternative zum kommerziellen Markt zu schaffen.

Zuckerberg spendete für Facebook-Konkurrenten

So beim Beispiel das Software-Projekt Diaspora, das 2010 von vier Studenten als eine Alternative zum sozialen Netzwerk Facebook entwickelt werden sollte, mit besserem Datenschutz und mehr Privatsphäre. Statt der benötigten 10.000 US-Dollar kamen mehr als 200.000 US-Dollar zusammen. Kurios: Unter den 6.479 Spendern befand sich auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der in einem Interview später sagte: "I donated. I think it is a cool idea" — "Ich habe gespendet. Ich halte das für eine gute Idee.”

Auch für zusätzliche Großinvestoren bieten Crowdfunding-Plattformen einen offensichtlichen Vorteil: Sie können anhand des Zuspruchs der Masse erkennen, welches Projekt vom Publikum angenommen und gefördert wird und damit lohnend ist.

Die Crowdfunding-Methode scheint also zu funktionieren. Dennoch warnt beispielsweise die britische Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA) Anleger davor, sich blauäugig an Projekten zu beteiligen. "Viele Möglichkeiten zum Crowdfunding sind hochriskant, sehr komplex, bieten keine garantierte Rendite, nur selten Dividenden, und wenn überhaupt, dauert es sehr lange, bis Investoren einen Erfolg sehen", begründet die FSA ihre Warnung.

Außerdem weisen Experten darauf hin, dass es sich stets um Risikoinvestitionen handele, und wer sein Geld sicher angelegt wissen will, solle lieber in andere Märkte investieren. Häufig fehle Investoren auch das nötige Fachwissen, um ein Vorhaben wirklich nach seinen Chancen beurteilen zu können. Sollte sich das Start-Up dann nach kurzer Zeit wieder vom Markt verabschieden, haben Investoren meist keinen Anspruch auf jedwede Rückzahlung. Hackerangriffe wie jüngst bei kickstarter.com zeigen zudem, dass wie in vielen anderen Märkten im Internet Kundendaten ein wertvolles Gut für Online-Kriminelle sind.

Crowdfunding schon bei der Freiheitsstatue

Dem Erfolg der Schwarmfinanzierung tut das derweil keinen Abbruch, vielleicht auch gerade deshalb, weil Anleger auf ihr Bauchgefühl vertrauen und Ideen unterstützen, die über ein "normales" Kreditvergabeverfahren keine Chance bekommen hätten.

Die Idee gab es übrigens schon früher: Das wohl älteste "Crowdfunding"-artige Vorgehen datiert auf das Jahr 1885. Damals rief Joseph Pullitzer in seiner Zeitung "The World" die Bevölkerung dazu auf, die Hälfte der Sockels für die New Yorker Freiheitsstatue zu finanzieren. Die fehlenden 102.000 Dollar kam in fünf Monaten von 120.000 Förderern zusammen, wobei die meisten Beiträge in der Größenordnung eines Dollars lagen.

(RP)
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