Retro-Hype Die Flucht in die einfachen 80er

Düsseldorf · Hochbetagte Spielekonsolen und Serien im Stil vergangener Jahrzehnte erleben derzeit ein Comeback. Psychologen und Marktforscher sehen dahinter vor allem ein Bedürfnis der Kunden: die Sehnsucht nach Einfachheit.

 Die Retro-Konsole soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Die Retro-Konsole soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Foto: ap

Gerade erst hat der japanische Videospielhersteller Nintendo eine Neuauflage seiner Acht-Bit-Konsole aus dem Jahr 1983 angekündigt, da zieht bereits der Erzrivale Sega mit einer weiteren Kult-Zockerkiste nach. Zum 25. Geburtstag des Firmen-Maskottchens "Sonic" will das Unternehmen auch die Konsole "Mega Drive" aus dem Jahr 1988 noch einmal in Miniaturform an den Mann bringen.

Beide Konsolen sollen im Herbst dieses Jahres auf den Markt kommen. Die alte Technik wurde für die Darstellung auf modernen TV-Bildschirmen angepasst, etwa mit einem HDMI-Anschluss. Die Spiele sind jedoch dieselben wie noch vor mehr als 25 Jahren. Neue Charaktere, frische Story, grafische Raffinessen — Fehlanzeige. Die Hersteller setzen ganz auf den Retro-Charme.

Auch im Seriengeschäft geht die Reise nicht in die Zukunft, sondern Jahrzehnte zurück. Die mysteriöse Entführungsgeschichte in "Stranger Things" ist die vielversprechendste US-Serie seit Langem. Das Netz schwärmt förmlich von der aktuell acht Episoden umfassenden Serie, die vom Streamingdienst Netflix seit einigen Wochen angeboten wird.

Die Handlung der Serie erinnert an die Dramaturgie von Hörspiel-Kassetten. Auf der Suche nach ihrem verschwundenen Freund treffen drei Teenager auf ein kleines Mädchen mit übermenschlichen Kräften. Gemeinsam versuchen sie, ihren Kameraden zu finden und lüften dabei das Geheimnis um eine faszinierende, aber auch schaurige Paralleldimension.

Doch nicht nur die Story begeistert die Zuschauer. Die Kostüme, die Kulissen, die Musik, selbst die Schrift im pixeligen Vor- und Abspann sind bis ins kleinste Detail auf Fernsehserien der 80er Jahre getrimmt. Die Fan-Community, die sich inzwischen um die Serie gebildet hat, hofft auf viele weitere Staffeln und ist sich einig: authentischer geht es nicht.

 In "Stranger Things" sucht eine Mutter, gespielt von Winona Ryder, nach ihrem Sohn.

In "Stranger Things" sucht eine Mutter, gespielt von Winona Ryder, nach ihrem Sohn.

Foto: Netflix

Warum lässt sich die Vergangenheit derzeit so gut in bare Münze verwandeln? Und warum geben zahlreiche Kunden Geld für etwas aus, das andere als alt und überlebt abtun? Heinz Grüne, Diplompsychologe und Geschäftsführer des Kölner Rheingold-Instituts für Marktforschung, hat dafür eine simple Erklärung.

"Unsere Welt ist heute fast komplett digital", sagt er. "Wir haben Smartphones, Geräte, die mit etlichen Funktionen ausgestattet sind und jede Menge Kommunikationskanäle. Da verliert man schon mal den Überblick. Die Konsole aus den 80ern dagegen ist simpel und übersichtlich - das entspannt den Nutzer und gibt ihm auch ein Gefühl von Sicherheit."

Darüber hinaus seien diese Dinge mit Erinnerungen verbunden - Gedanken an die Kindheit oder Jugend, an eine Zeit - so der nostalgische Spruch -, in der alles besser war. "Und das ist pure Verklärung", sagt Grüne. "Die Menschen glauben, dass früher alles in Ordnung war, weil sie heute täglich mit Terror und anderen Katastrophen konfrontiert werden. Daher ergreifen sie die gedankliche Flucht in die Vergangenheit und assoziieren alles, was damit zu tun hat, automatisch mit Entspannung und Unbeschwertheit."

Ein ähnliches Phänomen beobachten die Marktforscher beim Konsum von Serien wie "Stranger Things". "Dort bekommt ein älteres Publikum die Chance, wieder in die Rolle kleiner Kinder vor dem Fernseher zu schlüpfen", so der Experte.

Auch mit dem Videospiel "Pokémon Go" wurde ein Trend aus vergangenen Jahren wiederbelebt.

(mro)
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