Deutscher Webvideopreis 2014 Pubertät und Penis-Provokation

Düsseldorf · Altes Fernsehen tritt junge Webvideoszene. Sichtlich Spaß an diesem Gegensatz hatten Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf am Samstagabend im Capitol-Theater, als sie den vierten Deutschen Webvideopreis vor 1100 Gästen und 358.263 Internet-Zuschauern moderierten.

So sah es beim Deutschen Webvideopreis 2014 aus
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Foto: Deutscher Webvideopreis 2014

"Herzlichen Dank, dass wir bei euch im Internet zu Gast sein dürfen", so die ProSieben-Moderatoren. Sie seien als "Fernsehfuzzis” in dieser Szene unbekannt. "Aber einige von euch sind auch froh, dass sie mal raus durften", teilten sie gegen das Publikum aus, um gleich darauf als Wiedergutmachung die ersten Preise zu vergeben.

Eine Fachjury und mehr als eine Million Nutzer haben in den vergangenen Wochen in einem aufwendigen Verfahren die Sieger in 14 Kategorien bestimmt. Sie haben die besten Webvideos des vergangenen Jahres gekürt. Schon am Nachmittag standen viele Schüler mit ihren Handys und Schreibblöcken am Zaun des Capitols, um Autogramme und Fotos von ihren YouTube-Helden zu machen. In der Öffentlichkeit sind sie unbekannt, im Netz haben sie ein Millionenpublikum. Spiel-Experte "Gronkh” hat demnächst auf seinem YouTube-Kanal mehr Abonnenten als das Comedy-Trio "Y-Titty”; bisher die Nummer 1 mit 2,9 Millionen Abonnenten.

Abräumer des Abends wurde Rapper Kollegah mit seinem YouTube-Channel Bosshaft TV. Er wurde in gleich drei Kategorien ausgezeichnet. Einer seiner Gefolgsleute versuchte einen Eklat auszulösen. Der Essener Rapper Shneezin stürmte die Bühne und zog blank: Er ließ die Hose fallen, zeigte seinen Penis und erwartete einen Skandal _ das Publikum buhte aber nur gelangweilt, Joko und Klaas moderierten ihn entspannt weg: "Vielleicht solltest du doch besser zum Fernsehen. Da vorne ist die Treppe!" Jury-Mitglied und Technik-Blogger Sascha Pallenberg machte seinem Ärger hinterher auf Facebook Luft und bezeichnete das Verhalten einiger Preisträger und deren Fans als "Kindergarten”.

Dieser Webvideopreis ist ein Abbild der deutschen Webvideoszene. Sie steckt bei weitem nicht mehr in den Kinderschuhen, aber ist auch noch längst nicht erwachsen. Eine Szene in der Pubertät. Joko und Klaas mimten die Adoleszenz-Beauftragten, eine Penis-Provokation die nicht zünden wollte, eine Preisverleihung die von einer professionellen Fernsehproduktion umgesetzt wurde und Nominierte mit einer unterschiedlichen Bandbreite. Vom selbstgedrehten Garten-Sketch bis hin zum aufwendigen Musikvideo.

Anwesend auch Medienstaatssekretär Jan-Marc Eumann (SPD). Er wurde als Regierungsvertreter begrüßt, als niemand den Preis für das peinlichste Video des Jahres entgegen nehmen wollte. Das ging in diesem Jahr an die Polizei NRW. Mit einem ernstgemeinten Rap-Video sollte der Nachwuchs für eine Karriere bei der Behörde gewonnen werden. Was für die Polizei NRW gilt, gilt auch für die Webvideoszene: Zwanghaft einen auf Jugendlich zu machen, nimmt einem ab einem gewissen Alter niemand mehr ab.

(dafi)
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