Smartphone-Spiel NRW im Pokémon-Rausch

Düsseldorf · Das Smartphone-Spiel Pokémon Go ist seit gestern auch in Deutschland verfügbar. Tausende spielten schon vorher mit ausländischen Accounts, unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt es jetzt kaum noch ein anderes Thema.

 Unser Autor macht mit.

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Foto: Endermann Andreas

Ist es eigentlich erlaubt, als Erwachsener noch mit Pokémon zu spielen? Der Einstieg in das neue Smartphone-Spiel Pokémon Go scheint besonders jungen Erwachsene leichtzufallen, die am großen Hype um die "Pocket Monster" (Taschenmonster) zu Beginn des Jahrtausends noch selbst Anteil hatten. Von der Düsseldorfer Königsallee bis zum Campus der Heinrich-Heine-Universität jagen Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit dem Smartphone in der Hand in Gruppen nach Pokémon, bewundern auf den Handys ihrer Freunde deren Erfolge oder laufen einzeln herum - mit einem Lächeln und verstohlenen Blicken, ob auch niemand merkt, was man da macht.

"Ich bin Level acht", gibt der 25-jährige Elektrotechnik-Student David Kaul zu. Gemeinsam mit dem gleichaltrigen Dominik Kölzer (Level eins, erstes Pokémon: Glumanda) stellt er einem Luft-Pokémon nach, das sich nahe der Bibliothek niedergelassen hat. Dort soll es, so erzählt ein anderer Student, zur Mittagszeit besonders viele Monster geben. Die werden angelockt von Ködern, die Spieler dort (in der virtuellen Welt) immer zur gleichen Zeit platzieren, um Pokémon - und damit auch viele Mitspieler - anzulocken und das Spiel somit zu einer Massenveranstaltung zu machen.

Kennen Sie überhaupt noch die Pokémon? Anfang der 2000er Jahre eroberten die bunten Monster mit den komischen Namen durch eine japanische Zeichentrickserie und zugehörige Gameboy-Spiele auch Europa. Nachdem das Phänomen - zumindest aus der Lebenswelt der Erwachsenen - schon lange wieder verschwunden war, kehren Figuren wie Pikachu, Schiggy und Rattfratz durch Pokémon Go nun zurück. Und jetzt sind uns die Pokémon näher als je zuvor: Die kostenlose Augmented-Reality-App ("erweiterte Realität") lässt ihre Benutzer in der realen Welt auf die Jagd nach bislang 151 Pokémon gehen.

Wer sich bisher schon an Menschen störte, die vollkommen abgetaucht auf den Bildschirm ihres Smartphones starren (Jugendwort des Jahres 2015: "Smombie"), sich dabei aber trotzdem auf der Straße bewegen, für den gibt es schlechte Nachrichten. Denn genau das ist das Prinzip des Spiels, das Millionen fesselt. Per GPS bestimmt es den Aufenthaltsort des Spielers, zeigt eine Straßenkarte seiner Umgebung an und mittendrin seine Spielfigur, die analog zu ihm durch die Gegend schlendert. Kaum hat man mit dem Spielen begonnen, erscheinen in der Nähe schon die ersten Pokémon, das erste meist gleich um die Ecke. Hat man sich einem Monster weit genug genähert, kann man es auf dem Bildschirm antippen und die Ansicht wechselt von der Karte zum Kamera-Sucher. Richtet man die Linse seines Handys dann auf das kleine Zeichentrick-Monster, kann man es mit einer Wischbewegung auf dem Display mit Pokébällen bewerfen und einfangen. Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Pokémon zu sammeln und dann gegen Monster von anderen Spielern kämpfen zu lassen.

An der Girardet-Brücke der Düsseldorfer Königsallee kommen täglich knapp 100 Menschen zusammen, um zu spielen. Denn dort gibt es nicht nur kostenlose Pokébälle, sondern auch besonders viele und gute Pokémon. "Wir sind dafür aus Bottrop gekommen", sagt Kevin Balger (22 Jahre, Level 14), der mit Jennifer Borschel (22, Level acht) zwischen den anderen Monsterjägern an der Brücke steht. Wie viel Zeit sie damit verbringen? "Bis der Akku leer ist. Dann geht's zum Aufladen zu Starbucks", sagt Borschel.

Die knapp 60 Megabyte große Smartphone-App gibt einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Spiele. Denn die offensichtliche Faszination bei jungen und älteren Spielern dürfte darin bestehen, dass es hauptsächlich eine enge Verbindung zwischen bunter Spielwelt und Wirklichkeit schafft, in der sich der Spieler bewegt. Man kann es beim Spaziergang spielen, es zwingt dazu, ungewohnte Wege zu gehen, und belohnt sogar das Laufen an sich. In den USA hat man schon behauptet, es mache fit. Sicher ist, dass es so manchen jungen Spieler nach draußen gelockt hat.

Und das ist doch schon eine Leistung.

(bur)
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