Online-Pranger lexbase.se Mein Nachbar, der Verbrecher

Auf der schwedischen Website lexbase.se sollte jeder für eine kleine Gebühr einsehen können, welche Vorstrafen der Nachbar von nebenan auf dem Kerbholz hat. Ein Service zum Selbstschutz, argumentierten die Betreiber. Ein Pranger übelster Machart, wüteten Kritiker. Nun musste die Seite dicht machen.

 Lexbase markierte Wohnorte von Straftätern mit einem roten Punkt.

Lexbase markierte Wohnorte von Straftätern mit einem roten Punkt.

Foto: Screenshot

Auf der schwedischen Website lexbase.se sollte jeder für eine kleine Gebühr einsehen können, welche Vorstrafen der Nachbar von nebenan auf dem Kerbholz hat. Ein Service zum Selbstschutz, argumentierten die Betreiber. Ein Pranger übelster Machart, wüteten Kritiker. Nun musste die Seite dicht machen.

Die Idee der Erfinder von lexbase war simpel: Nutze Angst und Neugier der Menschen und schlage Profit daraus. Am Montag vor einer Woche starteten sie für die schwedische Öffentlichkeit ihre Datenbank mit allen Gerichtsurteilen aus Strafverfahren in Schweden.

Nutzer erhielten somit die Möglichkeit, ohne nennenswerten Aufwand das Strafregister ihrer Mitbürger abzufragen. Alles, was sie dazu brauchten, war der Name oder die Sozialversicherungsnummer der Person. Weiter noch ging eine andere Option: Sie zeigte auf einer Karte mit roten Punkten, wo in der Nachbarschaft Verurteilte leben.

Wer sich also konkret in seinem Straßenzug umsah, fand dort möglicherweise direkt beim sonst so freundlichen Nachbarn von nebenan einen roten Marker über dem Dach. Mehr aber nicht. Angsterfüllten Phantasien waren somit Tür und Tor geöffnet. War der alte Herr an der Nebenseite in Wirklichkeit ein Kinderschänder? Ein Drogendealer? Mörder?

Auch diese Informationen bot lexbase an, allerdings nur für eine Gebühr. Für umgerechnet neun Euro erfuhren Nutzer alles Wesentliche über die Art des Verbrechens, die Strafe und die aktuelle Adresse der Person. Dieser Dienst könne zum Beispiel hilfreich für Frauen sein, die einen Mann auf einem Datingportal kennengelernt hätten und unsicher seien, erläuterte ein Sprecher. Noch vor einem ersten Treffen könnten sie checken, ob er wegen Vergewaltigung oder anderer Gewalttaten verurteilt worden sei.

Die derart sensiblen Daten zu bekommen, war noch nicht einmal besonders schwierig oder gar illegal. Nach dem sogenannten Öffentlichkeitsprinzip hat in Schweden jeder das Recht, öffentliche Dokumente und auch Gerichtsentscheidungen einzusehen. Lexbase hatte die Millionen öffentlich verfügbaren Daten lediglich gesammelt und interaktiv aufbereitet.

Der Start in der vergangenen Woche wurde ein großer Erfolg. Die Website verzeichnete Millionen Abrufe. Doch trotz des Zuspruchs hielt sich der Nachbarschafts-Pranger gerade mal eine Woche. Das Angebot hatte einen Sturm der Entrüstung in der schwedischen Öffentlichkeit ausgelöst. Vielen ging dieses Maß an Öffentlichkeit zu weit. Rechtsexperten warnten, ein solches Angebot könne den Weg für Lynchjustiz bereiten.

"Wir haben diese Woche viele Anrufe bekommen. Die Menschen sind aufgeregt, manche weinen", zitierte sueddeutsche.de einen Anwalt bei der schwedischen Datenschutzbehörde. Die Betroffenen waren Menschen, die in den Lexbase-Listen auftauchen.

Und einige von ihnen sogar zu Unrecht. So hatte die Website in einigen Fällen Umzüge nicht berücksichtigt, so dass auch die Häuser von Unschuldigen auf der Web-Karte mit einem roten Mal belegt waren, weil früher einmal ein Straftäter darin lebte. Auch Personen, die freigesprochen wurden, sollen in der Datenbank zu finden gewesen sein.

Dass die Website inzwischen vom Netz genommen wurde, liegt allerdings weniger an der Sorge vor möglicherweise fatalen Folgen, sondern vor allem an Programmierfehlern. So monierte der Anbieter, der lexbase die Server zur Verfügung stellte, die Seite sei laienhaft programmiert worden. Medienberichten zufolge hatten Hacker bereits am zweiten Tag nach dem Start die Seite gekapert und die Daten auf andere Seiten ausgelagert. Frei und kostenlos verfügbar zum Download.

(pst)
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