Netzaktivisten haben eine Botschaft Digitaler "Kinderbasar" schockt Eltern

Düsseldorf · Schock für eine Mutter aus Düsseldorf: Auf der Facebook-Seite "Henriettes Kinderbasar" entdeckte sie Fotos ihres Kindes, die sie zuvor selbst gepostet hatte. Die Betreiber der Seite haben eine Botschaft – und strapazieren damit die Nerven von Eltern.

 "Nicht wir gehen zu weit — es sind die User selbst, die zu weit gehen", sagen die Betreiber von "Henriettes Kinderbasar".

"Nicht wir gehen zu weit — es sind die User selbst, die zu weit gehen", sagen die Betreiber von "Henriettes Kinderbasar".

Foto: Screenshot Facebook

Schock für eine Mutter aus Düsseldorf: Auf der Facebook-Seite "Henriettes Kinderbasar" entdeckte sie Fotos ihres Kindes, die sie zuvor selbst gepostet hatte. Die Betreiber der Seite haben eine Botschaft — und strapazieren damit die Nerven von Eltern.

Wer durch die Facebook-Seite "Henriettes Kinderbasar" scrollt, findet viele Kinderfotos. Babys und Kleinkinder in privaten Momenten — mal mit, mal ohne ihre Eltern. Sie alle landen auf dem digitalen "Kinderbasar". Jeden Tag kommen neue Posts dazu. Diese Erfahrung musste jetzt auch eine Frau aus Düsseldorf machen.

Es handelt sich dabei um Fotos, die von den Eltern der Kinder bei Facebook gepostet wurden — mit der Privatsphäre-Einstellung "öffentlich". Solche Fotos kann jeder teilen und weiterverbreiten. Genau das tun die Betreiber von "Henriettes Kinderbasar". Gegen die Facebook-Richtlinien verstößt das nicht. Denn das Teilen von "öffentlich" geposteten Inhalten ist eines der Grundprinzipien des sozialen Netzwerks.

Was die Betreiber der Seite tun, ist dennoch grenzwertig — schließlich legen sie es darauf an, den Eltern einen Schock zu verpassen. Die Düsseldorferin jedenfalls, die kürzlich von einer Bekannten auf die Fotos ihres Kindes auf der Seite "Henriettes Kinderbasar" aufmerksam gemacht wurde, ist wütend. In der geschlossenen Facebook-Gruppe "Nett-Werk Düsseldorf" lässt sie ihren Ärger raus. Die Seite sei "abartig", findet sie und droht damit Anzeige zu erstatten. Weit kommen wird sie damit allerdings nicht.

"Die Seite verhält sich innerhalb der legalen Facebook-Regeln", sagt Andre Wolf. Er arbeitet als Social-Media-Koordinator bei Mimikama, einem Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch. "Henriettes Kinderbasar stellt in einer krassen Weise dar, wie viele Eltern mit den Privatsphäreeinstellungen umgehen." Wolf und seine Kollegen raten deshalb grundsätzlich dazu, in sozialen Netzwerken vollständig auf Kinderbilder zu verzichten, um einem möglichen Missbrauch etwa durch Pädophile gar nicht erst möglich zu machen.

Lerneffekt durch Schockeffekt

Über Facebook hat unsere Redaktion auch Kontakt zu den anonymen Administratoren von "Henriettes Kinderbasar" aufgenommen. "Es liegen schon weit über 2000 Anzeigen gegen uns vor, für die wir nur ein Lächeln übrig haben", schreibt einer der Admins mit einem Augenzwinkern. Juristisch sehen sich die Netzaktivisten auf der sicheren Seite, denn die Bilder seien ja bereits öffentlich auf der Plattform einsehbar. "Wir wollen erreichen, dass die Leute mit der Privatsphäre ihrer Kinder nicht so leichtfertig umgehen wie bisher."

Mit dem Prinzip der "Schocktherapie" wollen die Seitenbetreiber die Sensibilität der Facebook-Nutzer für private Inhalte wecken.

Auch Elisabeth Oberndorfer findet, dass Bilder von Kindern im Internet nichts zu suchen haben. Die Journalistin beschäftigt sich seit längerem mit dem Thema Kinderfotos im Netz. "Generell ist es kritisch, Bilder von Personen zu veröffentlichen, die dem nicht zugestimmt haben", meint Oberndorfer. "Bei Babies und Kindern halte ich das für ein größeres Problem, weil diese sich nicht wehren können."

Die gezielten Provokationen der Seite "Henriettes Kinderbasar" kann sie verstehen. Dennoch gehe auch hier alles auf die Kosten der Kinder. "Vielleicht bewegt die Aktion Eltern zu einem Umdenken, aber sie missbraucht ebenso die Privatsphäre der Kinder", sagt Oberndorfer. "Ich gehe gern vom Worst Case aus, deshalb sehe ich öffentlich geteilte Kinderfotos schon auf Kinderporno-Websites wiederverwertet. Keine Ahnung, wie wahrscheinlich so ein Missbrauch tatsächlich ist, die Privatsphäre der Kinder wird so oder so gefährdet."

Ein Klick auf den Globus und die Fotos verschwinden

Der zweifache Familienvater Torsten Beeck hält die Debatten um den möglichen Missbrauch von privaten Fotos bei Facebook für eine Pseudodiskussion. "Das tatsächliche Risiko, dass diese Fotos missbraucht werden, ist in etwa genauso hoch, wie die Wahrscheinlichkeit, dass jemand nur bei mir einbricht, weil er in Google Streetview gesehen hat, dass ich ein hübsches Haus im Grünen habe. Er kann auch einfach durch die Straße fahren." Die Gefahren sind da, aber eben nicht nur im Netz.

Beeck weiß wovon er spricht, beruflich verantwortet er den Social-Media-Bereich beim "Spiegel". Privat hat er in diesem Jahr elf Fotos seiner Töchter bei Facebook veröffentlicht. Sichtbar sind diese aber nur für seinen Freundeskreis. "Ich würde Fotos eben nicht ,öffentlich´ posten, damit sie nicht auf irgendwelchen fremden Seiten geteilt werden."

Bei Instagram macht er manchmal Ausnahmen — identifizierbar sind seine Kinder auf den Bildern allerdings nie.

Die Aufregung rund um die Seite "Henriettes Kinderbasar" kann Beeck nicht verstehen. Schließlich muss man nur die Privatsphäre-Einstellungen verändern, damit die Bilder auf "Henriettes Kinderbasar" ausgeblendet werden: "Mit einem Klick auf den Globus die Sichtbarkeit von ,öffentlich´ auf ,Freunde´ stellen und schon verschwinden die Fotos von der Seite."

"Da ich meine Kinder liebe, stelle ich sie nicht bloß"

An seinem eigenen Facebook-Verhalten möchte Torsten Beeck nichts ändern. "Ich habe die tollsten Kinder der Welt und lasse meine Freunde an ihrem und meinem Leben teilhaben", sagt er. Über den Begriff "Freunde" könne man zwar streiten, aber Beeck unterscheidet nicht zwischen virtueller und realer Welt. "Da ich meine Kinder liebe, stelle ich sie nicht bloß oder poste Fotos, die ich von mir selbst als Kind nicht hätte sehen wollen." Für ihn sei Facebook eine Art Familienalbum, das seine Freunde aus aller Welt anschauen dürfen.

Elisabeth Oberndorfer wünscht sich dagegen eine Rückbesinnung zur E-Mail. Privates soll nämlich auch privat bleiben. "Eltern müssen sich der Konsequenzen bewusst sein und darüber nachdenken, wie sie ihre Kinder gefährden", sagt die Journalistin. "Ein Kollege hat mir mal erzählt, dass sein acht Jahre alter Sohn ihm verboten hat, ein Foto von ihm zu posten. Wenn die Kinder das kritischer sehen, sollte das den Eltern jedenfalls zu denken geben."

Außerdem können Facebook-Posts für die Eltern eines Tages sehr teuer werden: Kinder haben nämlich das Recht ihre Erziehungsberechtigten nachträglich zu verklagen.

(gol)
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