Hass im Netz Unternimmt Facebook genug gegen rechten Hass?

Düsseldorf · Hasserfüllte Kommentare, die zu roher Gewalt aufrufen: In der aufgeheizten Flüchtlingsdebatte liest man sie immer wieder online. Viele Bürger setzen sich zwar zur Wehr und melden solche Kommentare, zum Beispiel bei Facebook. Häufig jedoch ohne Erfolg, wie die Erfahrungen eines Journalisten zeigen.

Handelt Facebook bei Hass-Kommentaren verantwortungslos?
Foto: dpa, Julian Stratenschulte

"Ich habe erst versucht, mitzudiskutieren. Wenn falsche Fakten und übertriebene Zahlen verbreitet werden, dann reizt es mich, das richtig zu stellen", sagt Thomas Lückerath im Gespräch mit unserer Redaktion. Lückerath ist Chefredakteur beim Medienmagazin DWDL.de, jahrelang war er früher auch für RP ONLINE tätig.

Mit Fakten sei er aber nicht weitergekommen, und so habe er einen Hasskommentar gegen Flüchtlinge ganz einfach bei Facebook gemeldet - als anstößigen Inhalt. "Wenn die Antworten immer radikaler werden, dann sollten wir die Melden-Funktion auch nutzen", sagt er.

Der Kommentar, um den es geht, ruft zur offenen Gewalt auf: "Die kommen wie die fliegen [...] dann laufen sie über die B8. Die Polizei kann es kaum noch bewältigen darum mein Appell saubere Straßen in Deutschland brummifahrer haltet drauf".

Lückerath: Facebook muss veranwortungsbewusst handeln

Was Lückerath nicht erwartet, ist die Reaktion von Facebook. Diese macht ihn wütend, und diese Wut macht er auch öffentlich.

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Facebook teilte mit: Der Kommentar sei geprüft worden. Facebook habe jedoch festgestellt, dass er nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoße.

Facebook handelt verantwortungslos, findet Lückerath. Das sei beschämend. Für seine Wut erntet der Journalist viel Zuspruch. Denn die Melden-Funktion ist schließlich einer der Wege, sich gegen Online-Fremdenhass zu wehren. Diesen Hass anzuprangern ist eine Forderung, die auch die NDR-Journalistin Anja Reschke in den Tagesthemen öffentlich stellte.

Abgelehnte Beschwerden sind kein Einzelfall

Eine Reaktion von Facebook bekommt Lückerath jedoch nicht auf seinen öffentlichen Unmut. Stattdessen lehnt das soziale Netzwerk wenige Tage später schon den nächsten Einspruch von ihm ab. Diesmal ein Hetzbeitrag in der Gruppe "Gegen Asylanten in Deutschland". Angeblich wieder kein Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards.

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"Ich verstehe, dass Facebook nicht von sich aus kontrollieren kann, was gepostet wird", sagt Lückerath. "Aber wenn man sie darauf hinweist, dann muss das auch behandelt werden." Ihm erscheine die Betreuung der gemeldeten Inhalte so, als werde sie an vielen Stellen durch automatisierte Prozesse abgewickelt - oder zumindest nur sehr oberflächlich.

Lückerath: Prüfung von Beschwerden offenbar sehr oberflächlich

"Erst wenn sich die Beschwerden zu einem Beitrag häufen, schreitet Facebook ein", schildert Lückerath seine Eindrücke. Ein Unding, findet er: "Die Polizei kann ja auch nicht dann erst kommen, wenn es zu einem Verbrechen zehn Anrufe gibt - da erwarten wir auch, dass das beim ersten Anruf passiert."

Auch unsere Redaktion hat bereits Erfahrungen mit dem Community Management von Facebook gemacht. Eine Nazi-Botschaft wurde dabei erst gelöscht, nachdem RP ONLINE eine Facebook-Sprecherin direkt darauf aufmerksam gemacht hatte.

Die Beschwerden würden außerhalb von Deutschland von einem internationalen Team überprüft, zu dem Muttersprachler gehören, so die Sprecherin. Ein Kollege habe dabei einen Fehler gemacht.

"Facebook, das Netzwerk mit dem Herz für Hass"

Facebook habe durchaus eine Verantwortung, sagt Lückerath, gerade in der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Auch wenn das soziale Netzwerk bislang in vielen Fällen nur als Plattform agiere: "Facebook übernimmt den Transportweg für hasserfüllte Kommentare", argumentiert er. Damit müsse Facebook Beschwerden über solche Kommentare genauso ernst nehmen, wie klassische Medien. "Das müsste eine Selbstverständlichkeit sein", so Lückerath.

Beim von ihm verantworteten Medienmagazin DWDL.de hat der Journalist nun auch einen Kommentar veröffentlicht, und unterstellt Facebook, es sei ein "Netzwerk mit dem Herz für Hass". Im Gespräch mit unserer Redaktion betont er auch die Gefahren, sollte Facebook seine Praxis nicht ändern und weiter nicht angemessen auf Hasskommentare reagieren.

Befürchtung: Facebook befördert Verbreitung von Hass

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Foto: dpa, rwe lof

"Es gab schon immer Foren, in denen sich Rechtsradikale organisiert haben", sagt Lückerath. Facebook schaffe aber Meinungen, die aus falschen Daten und Fakten resultieren würden, ganz neue Räume — gerade weil das Netzwerk mittlerweile zum Alltag vieler Menschen gehöre. Und so kämen eben auch immer mehr Nicht-Radikale damit in Berührung.

"Das sind erschreckenderweise häufig Menschen wie du und ich, die so etwas posten", sagt Lückerath. Über die öffentlichen Profile ließe sich das einfach herausfinden, auch weil immer mehr Leute ihre Kommentare unter ihrem echten Namen online stellen würden und nicht unter einem Pseudonym.

Er werde weiter "jede Untätigkeit von Facebook" dokumentieren, schreibt Lückerath schließlich auf DWDL.de. Das soziale Netzwerk müsse seiner Verantwortung endlich wirklich nachkommen. Alles andere sei verantwortungslos.

(RPO)
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