Hamburger Start-up Protonet Die Haushaltshilfe aus der Cloud

San Francisco · Die Hamburger Firma Protonet gehört derzeit zu den angesagten Start-ups im Silicon Valley. Die Gründer verbinden mit ihrer Server-Box zwei Trends: Datensicherheit und Smart Home.

 Die beiden Protonet-Gründer Ali Jelveh und Thomas Reiners mit ihrer Cloud-Box für Zuhause.

Die beiden Protonet-Gründer Ali Jelveh und Thomas Reiners mit ihrer Cloud-Box für Zuhause.

Foto: Bröcker

Die Erfolgsgeschichte beginnt in einer Bombennacht. 1984. Teheran. Ali Jelveh sitzt mit seiner Familie im Wohnzimmer, der Iran-Irak-Krieg tobt, der Vierjährige stellt den Comicfilm am Fernseher laut, um die Einschläge in der Nachbarschaft nicht zu hören. "Meine ersten Kindheitserinnerungen", sagt er. Wenige Tage später nimmt die Mutter ihre beiden Söhne und flieht nach Paris, wo ein Onkel lebt. Der Vater bleibt im Iran. "Diese Ohnmacht damals, das war das Schlimmste", sagt Jelveh. "Seither weiß ich Freiheit und Unabhängigkeit zu schätzen."

1987 siedelt die Familie nach Hamburg über, Jelveh interessiert sich für Mathematik und Computer. Mit 16 Jahren gründet er seine erste Firma, die PC-Grafiken erstellt. Die Unabhängigkeit, der Drang nach Eigenständigkeit, lässt ihn fortan nicht mehr los. Es folgt eine zweite Firma, die bald scheitert. Er studiert Physik und lässt sich nach ein paar Semestern von der Karriereplattform Xing abwerben, er wird einer der ersten Entwickler. 2012 gründet er mit seinen Kollegen Christopher Blum Protonet. Die Idee ist gar nicht so bahnbrechend. Eine sichere "Cloud für Zuhause", eine Art Festplatte mit Netzwerkanschluss, die Daten jenseits der Cloud der US-Internetkonzerne sichert. Privatnutzer und Unternehmen können ihre Daten speichern, aber auch mit Freunden und Kollegen chatten und Dokumente gemeinsam bearbeiten. Die Firma zielt auf kleine Unternehmen wie Kanzleien und Arztpraxen, die ihre Daten ohne viel Aufwand lokal sichern wollen. Der Preis ist ambitoniert: 1800 Dollar pro Stück. Bis zu 50 Personen kann die Software verbinden. "Wir wollten Datensicherheit und Datenunabhängigkeit möglichst einfach und komfortabel bieten", sagt Jelveh, der die Idee in seiner Xing-Zeit entwickelte.

Design zählt, nicht nur Software

Die Gründer achten - unüblich für die meist auf Technik und Software fixierten deutschen Gründer - auch auf das Design. Die orangefarbene Box mit dem Stahlgehäuse, nicht größer als ein Toaster, ist schick und handlich. Alleine am Einschaltknopf basteln die Hamburger sechs Monate, erzählt Jelveh. Es sind aber eher die Datenskandale von NSA bis BND, die dem Unternehmern einen ersten Schub geben. 2014 sammelt Protonet bei einer öffentlichen Finanzierungsrunde über eine Internetplattform in nur 89 Minuten eine Million Dollar ein, so schnell wie noch nie ein Unternehmen zuvor. 1800 Investoren buhlen um Anteile. Insgesamt sammeln sie drei Millionen Euro über Crowdfunding ein - Rekord. "Das war der Durchbruch", sagt Jelveh. Nun werden die Nächte durchgearbeitet, die Software optimiert.

Aber es gibt auch Rückschläge. Das Internetmagazin "t3n" berichtet von Sicherheitslücken in der Software und kritisiert, dass die Daten über fremde Server in die Box geleitet würden. Ein Anfängerfehler. Die Umleitung lasse sich heute bequem ausschalten, verspricht Jelveh. 2000 Boxen hat das Unternehmen inzwischen in Deutschland ausgeliefert.

Das reicht nicht für ein profitables Unternehmen. Anfang des Jahres verlegen Jelveh und seine Partner Protonet ins Silicon Valley. US-Investoren beteiligen sich lieber an US-Firmen. Sie bewerben sich beim Y-Combinator, einem renommierten Fonds, der auch in Tech-Größen wie AirBnB und Reddit investiert ist. Zehn Minuten dauert das Bewerbungsgespräch, dann haben die Hamburger frisches Geld. Eine gute Publicity, der US-Fonds ist nicht irgendwer in der Branche. Auch namhafte deutsche Investoren wie Tarek Müller und Christian Busch kommen hinzu.

Zahlen veröffentlicht Protonet bisher nicht, schwarze Zaheln sind aber eher unwahrscheinlich. Die Firma muss schnell wachsen, die ewige Herausforderung für die jungen Tech-Unternehmen. Am vergangenen Dienstag gingen die Hamburger den nächsten Schritt und trafen mit Vertretern des renommierten Investors Sequoia Capital (u.a. Apple, Facebook, Google) für die nächste Finanzierung zusammen. "Es war ein sehr gutes Gespräch. Wir dürfen wiederkommen", sagt Ali Jelveh. Mehr will er nicht verraten. Protonet hat jetzt einen neuen Markt im Visier. Die Hamburger wollen mit ihrer Server-Box nun im Smart-Home-Markt angreifen, auf der Technikmesse Cebit in Hannover stellen sie kommende Woche "Zoe" vor, eine via Spracherkennung gesteuerte Schaltzentrale für den Privathaushalt.

"Zoe" kann auch Wenn-Dann-Befehle erkennen

"Die erste Smart-Home-Zentrale, die zuhört, lernt und die Privatsphäre schützt", wirbt Jelveh für das neue Produkt. Auf Zuruf kann "Zoe" nicht nur das Licht aus- oder den Staubsauger einschalten, sondern auch Wenn-Dann-Befehle erkennen, etwa: "Wenn ich die Küche verlasse, mach das Licht aus und starte den Staubsauger." 150 Dollar soll das Gerät zu Beginn kosten. Anders als bei Amazon Echo oder Googles Nest Cam wird das Gesagte aber eben nicht in der Cloud eines US-Konzerns gespeichert.

Ob Protonet damit den bereits umkämpften Markt aufwirbelt und eine relevante Zahl von Geräten verkauft, ist nicht so sicher, wie es der Auftritt des charismatischen Deutsch-Iraners vermuten lässt. "Eine smarte Firma mit guter PR, aber der Erfolg muss sich erst noch erweisen", sagt Christian Miele, Wagniskapitalgeber aus Hamburg. Schließlich investierten auch die digitalen Großkonzerne wie Google und Apple viele Milliarden in die Entwicklung der digitalen Haushaltshilfen. Die Kooperationen mit Haushaltsgeräteanbietern wie Siemens oder Vissmann sind für diese Konzerne leichter.

Die Leidenschaft und das Selbstbewusstsein von Ali Jelveh und seinen Partnern dürfte das aber so leicht nicht abschrecken. Im Silicon Valley ist das mindestens so wichtig wie das Produkt.

(brö)
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