Wettbewerbsverzerrung Europa will Google den Prozess machen

Cupertino · Seit Jahren ist EU-Ermittlern die Dominanz von Google ein Dorn im Auge. Nun könnte es für den Internetriesen eng werden: Die EU will ein Strafverfahren wegen Wettbewerbsverzerrung gegen den Konzern anstrengen. Im Falle einer Verurteilung droht dem Unternehmen aus Kalifornien ein Bußgeld in Höhe von rund sechs Milliarden Dollar.

 Der Quasi-Monopolist Google ist der EU schon seit Jahren ein Dorn im Auge.

Der Quasi-Monopolist Google ist der EU schon seit Jahren ein Dorn im Auge.

Foto: dpa, obe cul

Die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager will am Mittwoch entsprechende Schritte ankündigen, wie die Zeitungen "Wall Street Journal", "New York Times" und "Financial Times" am Dienstag berichteten. Der Rechtsberater von Google, Kent Walker, kündigte an, die Wettbewerbshüterin werde am selben Tag eine "Mitteilung der Beschwerdepunkte" zum Geschäftsgebaren des Konzerns veröffentlichen. "Stellt euch schon mal darauf ein, dass einige der Kritikpunkte ziemlich hart werden", warnte er die Google-Belegschaft in einer internen Notiz. Vestager will laut den Medienberichten am Mittwoch zudem zu Gesprächen in die USA reisen.

EU-Ermittler halten Google vor, seine Marktdominanz als Suchmaschine zugunsten eigener Dienste missbraucht und damit Wettbewerb und Innovation unterdrückt zu haben. Konkret geht es um Vorwürfe, wonach der Internetriese zum Beispiel eigene digitale Karten zulasten der anderen Konkurrenten wirksamer platziert habe. Dadurch könne der Konzern mehr Einnahmen aus Online-Anzeigen und Werbung einstreichen, während es die Inhalte anderer Webseiten bewusst umleite, bemängeln Kritiker.

Rechtsberater Walker warnte die Mitarbeiter von Google vor möglichem weiteren juristischen Ungemach. Es drohten Ermittlungen zum Vorwurf, wonach der Konzern sein populäres Android-Betriebssystem für mobile Geräte zur unfairen Übervorteilung anderer digitaler Dienste genutzt habe. Eine Kopie der internen Mitteilung stellten die Technologie-Webseiten Re/Code und TechCrunch später ins Internet. Google bestätigte zwar am Abend die Autorenschaft Walkers, lehnte jeden weiteren Kommentar aber ab.

Der Internetriese hatte im Vorfeld jegliches Fehlverhalten wiederholt abgestritten. Zudem argumentierte das Unternehmen, dass Nutzer nicht im Geringsten daran gehindert würden, auch andere Suchmaschinen zurate zu ziehen. Schätzungen zufolge laufen aber neun von zehn Suchanfragen in Teilen Europas über Google. Damit liegt der Anteil höher als in den USA, wo das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Moutain View zwei Drittel des Marktes beherrscht.

Um den seit fast fünf Jahren schwelenden Kartellstreit in Europa zu beenden, hatte Google wiederholt einige Zugeständnisse angeboten. Doch scheiterten die Verhandlungen. Die Vermittlungsvorstöße fielen zudem in die Ära von Vestagers Vorgänger Joaquin Almunia, der erst im vergangenen Jahr zurückgetreten war.

Eine von Verlegern und Technologiekonzernen wie Microsoft angeführte Gruppe pochte bis zuletzt jedoch auf ein Vorgehen gegen Google. Nun könnten sie triumphieren.

Ein Klageverfahren gegen Google könnte Experten zufolge der Auftakt einer jahrelangen Justizschlacht werden, die dem Konzern ein Bußgeld in Höhe von rund sechs Milliarden Dollar (rund 5,7 Milliarden Euro)
bescheren könnte. Dies entspräche zehn Prozent seines Jahresumsatzes. Google wäre dann zudem gezwungen, sein Suchmaschinensystem in Europa radikal umzubauen.

(ap)
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