Edward Snowden auf der re:publica Der (un)willkommene Gast

Meinung | Berlin · Der berühmteste Whistleblower der Welt bei der größten Digitalkonferenz Deutschlands: Die Live-Schalte zu Edward Snowden nach Russland, die im Rahmen der Media Convention Berlin zustande gekommen ist, zählt schon jetzt zu den Highlights der re:publica 2016. Und doch bleibt ein unangenehmer Beigeschmack, denn willkommen ist Snowden in Deutschland nicht wirklich.

 Eine Live-Schalte mit Edward Snowden auf der re:publica.

Eine Live-Schalte mit Edward Snowden auf der re:publica.

Foto: dpa, kes kno

Ein Saal, viele Menschen und zwei große Bildschirme. Als darauf plötzlich das Gesicht von Edward Snowden erscheint, wird es sehr laut. Tosender Applaus für einen Mann, der mit seinen Enthüllungen im Sommer 2013 die Welt veränderte.

Drei Jahre ist das jetzt her. In dieser Zeit ist viel passiert. Snowden hat einen gesellschaftlichen Diskurs angestoßen, der weit über Ländergrenzen hinausgeht. Es geht um den Schutz unserer Daten und unserer Privatsphäre. "Wer sagt ,Ich habe nichts zu verstecken´, der versteht nicht worum es geht", betonte Edward Snowden. "Es geht nicht darum etwas zu verstecken, sondern darum etwas zu schützen — und zwar unsere Freiheit." Der private Raum stehe über allem und sei auch die Grundlage für Pressefreiheit.

Lautes Klatschen im Publikum. Immer wieder. Die re:publica ist auch ein Klassentreffen von Netzaktivisten. Hier bekommt Snowden die Bühne, die ihm auf politischer Ebene bisher weitestgehend verwehrt blieb.

Bundesregierung handelt "schäbig und erbärmlich"

Es ist angenehm, Edward Snowden zuzuhören. Der Mann mit der Nerd-Brille hat eine wohlklingende Stimme, erzählt kluge Dinge und hat noch dazu das nötige Gespür für Humor. Es ist nur schwer vorstellbar, dass dieser sympathische junge Mann in seinem Heimatland, den USA, noch immer als Staatsfeind gilt. "Ich habe die USA um einen fairen Prozess gebeten. Alles, was sie mit zugesagt haben war, mich nicht zu foltern", berichtet Snowden in Berlin. Ein Armutszeugnis für das selbsternannte Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Wenn es um Daten geht, werden demokratische Werte zur Nebensache — auch in Deutschland. Hier ist Snowden nur auf der Leinwand willkommen. Bei einer Einreise würde er wohl sofort verhaftet und an die USA ausgeliefert werden, erzählt er. "Ich finde es ziemlich schäbig und erbärmlich von unserer Regierung, dass ein Mann, der sein Leben opfert, um uns die Augen zu öffnen, bei uns kein Asyl bekommt", sagt RP-Kolumnist Richard Gutjahr. Auf der einen Seite sollen sich Menschen politisch und zivilgesellschaftlich engagieren, auf der anderen Seite werden sie dafür bestraft.

Gutjahr wollte von Snowden wissen, wer mit Blick auf den Datenschutz gefährlicher sei: Google und Facebook oder doch die Regierungen. Snowdens Antwort: "Die Unternehmen wirken auf den ersten Blick ungefährlich, weil sie nicht über Armeegewalt verfügen — noch nicht." Die Warnung kam an: Man müsse sowohl Regierungen, als auch großen Konzernen auf die Finger schauen, denn beide haben eine verinnerlichte Sucht nach Daten und wollen alles über uns wissen.

Die Bundesregierung ist gefordert

Edward Snowden ist der "Volksheld" des Internets. Es ist eine Schande, dass der Freiheitskämpfer Snowden sich derzeit nur im autokratisch regierten Russland halbwegs sicher fühlen kann. Innerhalb der EU wurde ihm das Asyl bisher verweigert. Und das, obwohl das EU-Parlament seinen Mitgliedsstaaten im Oktober 2015 empfohlen hat, alle Vorwürfe gegen den Whistleblower fallen zu lassen.

Bei der re:publica betonte Snwoden, dass er aktuell in 21 Staaten Asyl beantragt habe — auch in Deutschland. Jetzt ist die Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel in der Pflicht Haltung zu zeigen: Edward Snowden gehört auf die Podien digitaler Konferenzen in Deutschland und Europa, nicht nur auf ihre Leinwände.

(gol)
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