20 Jahre Amazon Von der Garagenfirma zum Weltmarktführer

Düsseldorf · Am 16. Juli 1995, also heute vor genau 20 Jahren, ging das erste Buch über die virtuelle Ladentheke - der Startschuss für nicht weniger als eine Revolution. 20 Jahre nach seiner Gründung hat Amazon vieles verändert: Konsumgewohnheiten, Innenstädte und Arbeitsbedingungen. Bewunderung trifft auf Kritik.

 Das ist der Kopf hinter Amazon: Jeff Bezos hat den Weltkonzern gegründet und lenkt ihn auch 20 Jahre nach dem Start.

Das ist der Kopf hinter Amazon: Jeff Bezos hat den Weltkonzern gegründet und lenkt ihn auch 20 Jahre nach dem Start.

Foto: afp, kb

Ein Jahr zuvor hatte der Amerikaner Jeff Bezos das Unternehmen gegründet. Ihn trieb die simple und zugleich für damalige Verhältnisse wahnwitzige Idee, der Kunde müsse jedes erdenkliche Produkt per Internet kaufen können. Rund ein Jahr und einen Namenswechsel - von Cadabra zu Amazon - später startete Bezos seinen Online-Shop. Zunächst verkaufte er aus seiner Garage in Seattle ausschließlich Bücher, weil sie robust und unkompliziert im Versand sind. Das erste Buch war ein über 500 Seiten dickes Fachbuch über das Denken. Der Titel: "Fluid Concepts and Creative Analogies: Computer Models of the Fundamental Mechanisms of Thought".

20 Jahre später ist Amazon ein Weltkonzern mit rund 154 000 Mitarbeitern. 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche hat Amazon "geöffnet". Geshoppt werden kann bequem vom Sofa aus, die gekauften Produkte werden direkt an die Haustür geliefert.

Dieses Rundum-sorglos-Paket setzt viele Einzelhändlern in deutschen Innenstädten unter Druck. Denn seit das Einkaufen so bequem von zu Hause aus möglich ist, zieht es immer weniger Kunden in die Einkaufsstraßen. Amazon-Chef Bezos zeigt für die Klagen des Handels wenig Verständnis: "Sie werden sich weiterentwickeln, sie werden nicht aufgeben. Wettbewerb löst immer eine Evolution aus."

Die Stadt Wuppertal hat sich dazu entschlossen, mit der Konkurrenzsituation offensiv umzugehen. Sie hat Ende 2014 das Projekt "Online City Wuppertal" lanciert, das den stationären Handel mit dem Online-Handel verknüpft. Über die Internetseite www.onlinecity-wuppertal.de können Kunden direkt online bei Wuppertaler Händlern einkaufen. Derzeit beteiligen sich 65 Geschäfte an dem Projekt, 8000 Produkte sind über die Website zu kaufen. Projektmanagerin Christiane ten Eicken von der Wirtschaftsförderung Wuppertal zeigt sich mit dem ersten halben Jahr zufrieden: "Die teilnehmenden Händler berichten über mehr Frequenz auf der Fläche und Umsatzsteigerungen mitunter in zweistelliger Höhe."

Die wichtigsten Amazon-Produkte
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Foto: Radowski

Amazons Siegeszug hat auch den deutschen Arbeitsmarkt verändert. Scott Galloway, Marketing-Professor an der New York University, sagte jüngst bei einem Vortrag in München, dass durch die Zunahme des Online-Handels Mittelklasse-Jobs verloren gegangen seien. "Es wurden neue Jobs geschaffen, allerdings im Niedriglohn-Sektor", sagte Galloway. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi versucht seit dem Frühsommer 2013 mit Arbeitskämpfen, einen Tarifvertrag auf dem Niveau des Einzel- und Versandhandels durchzusetzen. Verhandlungen darüber lehnt Amazon aber strikt ab. Das Unternehmen sieht sich als Logistiker und verweist auf eine Bezahlung am oberen Ende des Branchenüblichen.

Verdi konterte gestern die Jubiläumsfeiern mit Aktionen für Tarifabsicherung in Deutschland. "Die Beschäftigten haben nichts zu feiern", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger bei einem Treffen der Streikleiter aus den neun deutschen Amazon-Logistikzentren. Den vom Unternehmen ausgerufenen Schnäppchen-Tag, den sogenannten Prime-Day, benannten die Gewerkschaft kurzerhand in Shame-Day (Schande-Tag) um. Der Konflikt dürfte sich also fortsetzen.

Rheinberg: Einblick in das Innere von Amazon
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Unterdessen arbeitet Amazon daran, die Welt noch weiter zu verändern. Denn wenn der Online-Händler seine Marktführer-Position behaupten will, muss er etwas tun. 2014 machte Amazon zwar 89 Milliarden Dollar Umsatz, dem gegenüber stand allerdings ein Verlust von 241 Millionen Dollar. 2013 waren es noch 274 Millionen Dollar Gewinn. Experte Galloway sieht zukünftig Händler im Vorteil, die, ähnlich dem Wuppertaler Konzept, sowohl über Online- als auch über stationären Handel verfügen. "Ein neuer Trend heißt ,Click and Collect'", so Galloway. Die Kunden bestellen im Internet, holen die Ware aber im Geschäft ab. Derzeit verfügt Amazon noch nicht über Warenhäuser - laut Galloway muss der Online-Händler hier nachbessern, wenn er langfristig konkurrenzfähig sein will.

In seinem dritten Jahrzehnt will sich Amazon als "Allesverkäufer" noch tiefer im Alltag der Kunden verankern. In den USA hat der Online-Riese zuletzt ein Pilot-Projekt gestartet, das das Online-Shopping noch stärker in den persönlichen Alltag der Kunden integrieren soll: Über drahtlose Knöpfe, die überall im Haushalt angebracht werden, können per Knopfdruck Zahnpasta oder Waschmittel nachbestellt werden.

(lsa)
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