Analyse des Social-Media-Erfolgs Die AfD gefällt im Netz vielen

Düsseldorf · Auf Facebook hat die Alternative für Deutschland mehr Fans als CDU, SPD und FDP zusammen. Experten sehen darin jedoch keine Vormachtstellung im Kampf um Wählerstimmen.

Die AfD hat viel mehr Facebook-Fans als die etablierten Parteien.

Die AfD hat viel mehr Facebook-Fans als die etablierten Parteien.

Foto: Ferl

Großformatige Fotos führender Parteivertreter, dazu das prominent platzierte Parteilogo und kurze Sätze: "CDU-Mitglieder leben in einer Parallelgesellschaft", "CSU-Forderung heuchlerisch" oder "Die AfD wirkt...". Möglichst offensiv werden Spitzenpolitiker aus der gesamten Parteilandschaft auf der Facebook-Seite der AfD vorgeführt - besonders Christdemokraten. Gleichzeitig setzen die Rechtspopulisten ihre aggressiven Forderungen, etwa die nach "nationalen Grenzen", mit großen Lettern in Szene. Mit inzwischen knapp 1400 Fotos gleicht die Facebook-Chronik der AfD den Litfaßsäulen und Plakatwänden zu Wahlkampfzeiten. Die Social-Media-Offensive funktioniert offenbar - mehr als 260.000 User haben bereits auf "Gefällt mir" gedrückt.

Während die Zahl der Facebook-Fans der etablierten Parteien maximal knapp über 100.000 liegt, sammeln die Rechtspopulisten in dem sozialen Netzwerk täglich Klicks und neue Abonnenten. Gepostet wird dort mehrmals am Tag, oft im Namen der Parteivorsitzenden Frauke Petry, die wie ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch zusätzlich mit einem eigenen Account unterwegs ist. Die User reagieren mit tausenden "Likes", kommentieren die Beiträge zu Hunderten. Die Zahl der "Gefällt mir"-Bekundungen auf den Seiten von CDU, SPD und Grünen bleibt dagegen meist im zwei- oder dreistelligen Bereich.

Die Frage erscheint also berechtigt: Hat die Alternative für Deutschland ihre Konkurrenz zumindest im Internet abgehängt? Und wie schafft es eine Partei, die erst seit drei Jahren existiert, so viele Anhänger online zu mobilisieren?

Experten nennen verschiedene Gründe für den Facebook-Hype um die AfD. "Während die etablierten Parteien noch große Schwierigkeiten hatten, sich auf sozialen Netzwerken zurechtzufinden, hat die AfD von der ersten Sekunde an auf Facebook gesetzt", sagt Politikberater Martin Fuchs, der sich auf Social Media spezialisiert hat. "Sowohl die Öffentlichkeit als auch Parteimitglieder hatten zunächst gar keine andere Quelle als Facebook, um sich zu informieren, weil sie von klassischen Medien für lange Zeit totgeschwiegen wurden." Außerdem habe sich die Partei von Beginn an bei ihrer Online-Strategie auf Berater verlassen und dafür hohe Honorare gezahlt. Auf Nachfrage der Redaktion zur Social-Media-Strategie gab die AfD keine Stellungnahme ab.

Nicht nur der geübte Umgang mit Online-Kanälen, sondern auch der Stil der Postings ist für die Rechtspopulisten ein Garant für konstante Reichweite. "Die AfD geht sehr zugespitzt vor", sagt Christian Nuernbergk, Medienforscher an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Mit kanalgerechten Symbolbildern werden politische Vorgänge stets knapp kommentiert und die Oppositionshaltung der Partei sehr plakativ dargestellt."

Auch wenn die meisten Parteien inzwischen sehr professionell im Umgang mit Social Media seien, gehe die AfD allein durch ihre hohe Frequenz an Postings - auch außerhalb des Wahlkampfes - den entscheidenden Schritt weiter. "Die Menschen wollen bei Facebook mitgenommen werden", sagt Nuernbergk. "Oft reicht ihnen der reine Konsum klassischer Medien nicht mehr. In sozialen Netzwerken können sie politische Ansichten schneller aufnehmen, sie kommentieren oder sogar weiterverbreiten. und genau auf diese schnelle Verbreitung setzt die Partei."

Darüber hinaus sei Facebook für die AfD ein wichtiges Instrument, um Anhänger zu mobilisieren, ohne sich dabei den Bewertungen und Einordnungen durch Journalisten zu unterziehen, meint der Medienforscher. Dass die Postings der Partei allesamt für die Anzeige auf dem Smartphone optimiert sind, sei ein weiterer Vorteil, um die Aufmerksamkeit der digitalen Zielgruppe im Alter bis 49 Jahre auch mobil zu gewinnen. Allerdings sei die benutzerfreundliche Optik kein Alleinstellungsmerkmal der AfD: "Längst haben alle Parteien begriffen, dass man Sichtbarkeit nur erreicht, wenn man seine Inhalte auch gut sichtbar präsentiert."

Der Grund für den massiven Zulauf der AfD sei auf Facebook derselbe wie schon an der Wahlurne in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. "Das Alleinstellungsmerkmal der AfD ist der Rechtspopulismus", sagt Nuernbergk. Sie präsentiert sich damit kalkuliert als Gegenpol zum politischen Mainstream. In der aktuell vorherrschenden politischen Lage verfängt das bei einem Teil der Menschen." Soziale Netzwerke seien lediglich ein zeitgemäßes Massenmedium - auch wenn das Publikum nach all der Kritik an der Regierung auf Lösungsvorschläge via Facebook verzichten muss.

Deshalb werde Facebook auch bei der Bundestagswahl 2017 ein mitentscheidender Faktor sein: "Diese Plattform ist Teil unserer Medienlandschaft", so Nuernbergk. "Im Wahlkampf kann man viele junge, potenzielle Wähler auf anderen Wegen gar nicht mehr erreichen." Allerdings könne die AfD nicht davon ausgehen, dass sämtliche Facebook-Fans auch Wähler sind. "Unter den Abonnenten sind mit Sicherheit nicht nur Befürworter, sondern auch manch kritischer Beobachter."

Außerdem: "Nicht jeder, der auf ,Gefällt mir' drückt, wird automatisch sein Kreuz bei der AfD machen." Eine Vormachtstellung im Wahlkampf habe die Partei daher nicht. Auch dass die Rechtspopulisten ihre radikalen Botschaften in den kommenden Jahren weiterhin so offensiv auf Facebook kommunizieren werden, bezweifeln die Experten. So glaubt Politikberater Fuchs: "Je mehr die AfD zum dauerhaften Bestandteil des politischen Systems wird, umso weniger wird sie ihren Ton auf Facebook halten können." Es werde nicht allzu lange dauern, bis sich der AfD-Hype auch auf Facebook der "Political Correctness" unterordnen müsse.

(RP)
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