Games-Kritik "Star Trek: Bridge Crew" - selbst ist der Kirk

Düsseldorf · In einem neuen Videospiel übernimmt man per Virtual-Reality-Brille das Kommando auf dem guten alten Raumschiff Enterprise.

 David Votypka ist als Creative Director verantwortlich für "Star Trek: Bridge Crew"

David Votypka ist als Creative Director verantwortlich für "Star Trek: Bridge Crew"

Foto: Ubisoft

Plötzlich fliegen Funken von der Sternenschiff-Konsole, und Qualm steigt auf. Fast schon habe ich Tränen in den Augen. Eine unbewusste Reaktion meines Gehirns. Denn nichts davon ist real. Aber mit der Virtual-Reality-Brille wirkt es echt. Sehr echt. Der Käpt'n bellt Befehle. Und wieder kassieren wir den Treffer eines gegnerischen Schiffs.

Der Adrenalinspiegel steigt. Der rote Alarm heult scheinbar immer lauter und drängender. Ich drehe den Kopf und sehe, wie die Finger des Steuermanns über das Interface seiner Konsole huschen, während er versucht, uns auf Kurs zu bringen — raus aus dem System und weg von dem Stern, der sich bald in eine Supernova verwandelt. Sehr bald.

Gleichzeitig werden wir von Aliens beschossen. Ich tue alles, um sie zu beschäftigen. Doch die Phaser-Kanonen leiden unter mangelnder Energie. Die hat der Ingenieur umgeleitet. Zum Antrieb des Föderationsraumschiff U.S.S. Aegis. Alle sind nervös. Niemand will etwas falsch machen. Der einzige Anker in diesem Chaos ist die Stimme des Captains. Und ich hoffe, dass er weiß, was er tut — und nicht nur spontan aus dem Bauch heraus entscheidet.

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Foto: dpa, tsn

Willkommen im 23. Jahrhundert, wo man dorthin geht, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist. Dieses Gefühl hat man tatsächlich, wenn man die Virtual-Reality-Brille aufsetzt und sich plötzlich an Bord eines Raumschiffs aus dem Star-Trek-Universum wiederfindet. Das ist in Deutschland immer noch besser unter den Namen des Raumschiffs bekannt, mit dem Captain Kirk, Commander Spock und Doctor McCoy in den 1960ern im Fernsehen zu den Sternen aufbrachen: U.S.S. Enterprise.

Seit mehr als 50 Jahren entführt dieses Schiff mit mittlerweile diversen Besatzungen Fans weltweit ins Weltall — im Fernsehen und im Kino. Und der französische Spieleentwickler Ubisoft und seine Tochterfirma Red Storm Entertainment arbeiten seit einiger Zeit daran, einen neuen Zugang zu dem Mythos zu schaffen. VR-Brillen und das Internet machen es möglich. Denn damit wird aus Star Trek Bridge Crew eine Erfahrung: Mit der Brille ist man visuell und gefühlt mittendrin. Das Spiel kann man zwar auch alleine meistern. Aber spannend wird es erst, wenn man online gemeinsam mit drei Freunden oder auch Fremden die virtuelle Brücke eines Sternenschiffs bemannt.

Die U.S.S. Aegis ist dabei an Schiffe aus den neueren "Star Trek"-Filmen angelehnt, die J. J. Abrams ins Kino brachte. Das heißt, alles wirkt hell, stylish, funktional. Und ja, das Erste, was man mit der VR-Brille auf den Kopf macht, ist sich umzusehen, in die Atmosphäre einzutauchen und die Sound-Effekte in sich aufzusaugen, die man als Star-Trek-Fan so oft gehört hat.

Dann besetzt man eine von vier möglichen Stationen: Man spielt als Captain, als Steuermann, als taktischer Offizier oder als Bord-Ingenieur. Jeder von ihnen hat seine eigenen Aufgaben. Und nur im Team können sie die diversen Probleme lösen, denen man als Sternenflotten-Offizier in den Weiten des Weltraums begegnet: Überlebende retten, gegen Klingonen kämpfen, Supernova-Explosionen entkommen und einen neuen Heimatplaneten für die letzten Vulkanier finden.

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Foto: dpa, av

"Für die Brücke der Aegis wurden uns hoch aufgelöste Fotos von den Filmsets zur Verfügung gestellt", sagt David Votypka, Creative Director von "Star Trek: Bridge Crew". Diese Aufnahmen waren die Referenz, um die Star-Trek-Illusion zu erschaffen. Zudem erhielt Ubisoft Red Storm auch die Animationen, die in den Filmen auf den Monitoren im Hintergrund ablaufen — damit die Atmosphäre stimmig ist.

Schwieriger wurde es dann aber mit der Gestaltung des User-Interfaces für die einzelnen Konsolen. "Im Film sieht man die nur kurz. Und selbst dann soll es vor allem cool und beeindruckend aussehen." Für das Spiel aber müssen die Konsolen nicht nur nach Hightech des 23. Jahrhunderts aussehen, sondern auch funktional und leicht beherrschbar sein.

Mit der VR-Brille auf den Kopf wurde darum die Illusion von Touchscreens und Schieberreglern geschaffen, die man mit Joysticks in seinen echten Händen bedient. Es passt zu dem stylishen Aussehen der Brücke der U.S.S. Aegis. "Bei der taktischen Konsole und die Schiffssteuerung gelang uns das Interface sehr schnell", sagt Votypka. "Die Konsole des Ingenieurs aber mussten wir mehrmals gestalten, bis es stimmig war."

Doch die U.S.S. Aegis ist nur ein Schiff in der Simulation. In Verneigung vor den Ursprüngen der Reihe kann man auch die Brücke der Original-Enterprise aus den 1960ern betreten — was indes für die Programmierer und Spieledesigner schwieriger war, als gedacht. "Als Star Trek 1966 ins Fernsehen kam, dachte man nur von Staffel zu Staffel.

Niemand hatte auch nur eine Ahnung, dass man noch in 50 Jahren über die Enterprise sprechen würde", erzählt der Creative Director. Nach dem Aus der Serie im Jahr 1969 wurden die Studio-Sets abgebaut, für andere Serien recycelt oder zerstört. Ubisoft hatte am Ende nur die TV-Episoden von damals als Referenz, in denen poppige, bunte Bonbon-Knöpfe von Mr. Sulu und Mr. Chekov gedrückt wurden — die so taten, als wüssten sie, was sie machten. Für eine Simulation reicht das indes nicht aus.

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Foto: dpa, tsn sir

"Eine große Hilfe waren Fans der Serie wie James Cawley, die ganze Sets originalgetreu nachgebaut haben", sagt Votypka. Aber auch Designer wie Michael Okuda, der über Jahre an Star-Trek-Episoden mitgearbeitet hat, unterstützte das Team — um die Film- und Serien-Brücken in der virtuellen Welt neu zu erschaffen.

Aber selbst, als man sich im Klaren war, wofür jeder Knopf gut war, gab es noch ein anderes Problem. "In der Orignal-Serie sind die Knöpfe nicht beschriftet, und das wollten wir auch im Spiel so halten. Alles andere würde nicht nach Star Trek aussehen." Doch wie kann man Spielern, die nicht mehrere Jahre lang die Sternenflotten-Akademie besucht haben, dann klar machen, wie sie die Konsolen bedienen? Es entstand die Idee, die Funktionen bei Bedarf einblenden zu können. "Dann aber nur sichtbar für die Person, die auch an der Konsole sitzt." Die anderen Mitspieler sehen nur, wie jemand scheinbar höchst professionell Knöpfe drückt — so wie einst Sulu und Chekov.

Die nächste Hürde war das Sounddesign. Schließlich sollen Phaser, Warp-Antrieb und Transporter so klingen, wie es die Fans kennen und erwarten. Nur ein Fehler dort und die Illusion wäre zerstört. Von der Originalserie gibt es schon viele Audio-Clips in unterschiedlicher Länge. Für die Aegis dagegen stellte die Produktionsfirma die neuen Sound-Effekte zur Verfügung. "Aber die waren entweder zu kurz oder untermalt mit anderen Klängen." Am Ende konnten nur etwa 20 Prozent davon verwendet werden. Rund 80 Prozent hat das Ubisoft-Red-Storm-Team für "Bridge Crew" selbst geschaffen.

Denn die Illusion soll perfekt sein. "Nicht nur Star-Trek-Fans sollen das Gefühl haben, sie seien tatsächlich an Bord der alten Enterprise oder der Aegis und würden ins All aufbrechen." Bridge Crew will alle Menschen ansprechen, die ihre Science-Fiction-Fantasie ausleben wollen. Virtual Reality verlangt dafür indes mehr als ein Spiel, das nur auf einem zweidimensionalen Bildschirm abläuft. Vor allem, wenn man online mit anderen Mitspielern kooperieren soll. Es beginnt damit, dass die Avatare in der Simulation auch den Augenkontakt suchen. Alles andere sehe seltsam aus.

"Das mussten wir programmieren", sagt Votypka. Ebenso wie Lippen, die sich synchron zu den gesprochenen Worten bewegen. Und "wir wollten nicht, dass der Spieler nur seine beiden Hände sieht, die mit den Konsolen interagieren." Damit die Grenzen zwischen echter und virtueller Realität verschwimmen, mussten auch die Unterarme samt der passenden Uniform dargestellt werden — während die virtuellen Hände Knöpfe drücken oder Touchscreens bedienen. Mit den dazu passenden Bewegungen.

Am Ende erkennt man dennoch "sofort, ob eine der Figuren vom Computersystem oder von einem Menschen gesteuert wird", betont Votypka. Die Avatare wirken echter, menschlicher als die reinen "Bots", die einem Skript oder einer Routine folgen. Doch nicht nur das soll Star Trek Bridge Crew herausheben aus dem Markt der VR-Anwendungen. "Es ist vor allem auch eine soziale Erfahrung", so der Creative Director. Auf einmal sitze man mit drei Fremden aus der ganzen Welt auf der Brücke eines Sternflotten-Schiffs und müsse zusammenarbeiten oder Anweisungen eines Captains folgen — den man nicht kenne.

Alle sind aufeinander angewiesen, Daraus entsteht eine neue Dynamik. Man könne dadurch etwas lernen, so Votypka. Über sich und über das Funktionieren als Einheit. Wenig überraschend also, dass schon einige Firmen Star Trek Bridge Crew ausprobiert haben — um die Arbeit eines Teams zu verbessern. "Es waren Firmen, in denen einige Kollegen von zu Hause arbeiten." Die einzelnen Team-Mitglieder kannten sich kaum und hatten nur im Arbeitsumfeld Kontakt. Über Bridge Crew konnten sie sich spielerisch über weite Entfernungen neu kennenlernen und erfahren, was es heißt, sich aufeinander zu verlassen. Nichts bricht eben das Eis so schnell, als zusammen gegen Klingonen anzutreten.

In dem Spiel, das derzeit nur zwei Raumschiffe bietet — die Original-Enterprise aus den 1960ern und die Aegis, die aus der neuen Filmreihe stammt. Doch Star-Trek-Fans fallen sofort eine Menge weiterer Schiffe ein: die Defiant aus Deep Space Nine, die Voyager aus der gleichnamigen Serie oder die Enterprise D und E aus der Next-Generation-Epoche sowie die NX-01 aus der Serie Star Trek: Enterprise. Das Potenzial ist da, um auch sie in "Bridge Crew" virtuell neu zu erschaffen — und um gemeinsam dorthin zu gehen, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist.

"Star Trek: Bridge Crew" erscheint am 30. Mai für Playstation VR, HTC Vive und Oculus Rift (PC)

(jova)
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