Entertainment und Jugendkultur E-Sports - was ist das eigentlich?

Düsseldorf · Wer mit E-Sports bislang nichts anzufangen wusste, dürfte sich dem Trend spätestens seit der Gamescom nicht mehr entziehen können. Wettbewerbsmäßiges Videospielen wird immer populärer. Aber was steckt hinter dem Phänomen?

E-Sports boomt - Trend für passionierte Videospieler
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Foto: dpa, tsn zeh

Auf den ersten Blick sieht es aus wie bei einem Rockkonzert: Hunderte Zuschauer sitzen auf Tribünen, aus den Boxen dröhnt laute Musik, die Bässe wummern.

Doch hier in Halle sieben auf der Gamescom treten keine Musiker auf, sondern E-Sportler. Sie kämpfen in den Wettkampfstätten des Videospiele-Giganten Blizzard gegeneinander um Punkte und Artefakte. Gespielt werden Titel wie "Overwatch", "Starcraft 2" oder "Heroes of the Storm".

Gamescom 2017 - Cosplayer in ihre tollen Kostümen
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Einige Profispieler sind durchaus so etwas wie Rockstars der Szene. Und E-Sport, wie er hier und an anderen Ständen gezeigt wird, ist ein Trendthema der Videospielemesse. Aber was ist das eigentlich?

"E-Sport ist der professionelle Wettstreit in Videospielen", erklärt Felix Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware knapp. Gut jeder zweite Deutsche weiß nichts über dieses Phänomen, das zehntausende Jugendliche und junge Erwachsene begeistert. Sie können mit der Welt von "Dota 2", "Counterstrike" oder "FIFA" und Begriffen "The International" oder "ESL" nichts anfangen.

Dabei ist E-Sport kein neues Phänomen. Hervorgegangen unter anderem aus den Netzwerk-Partys der 90er Jahre, ist E-Sport in den letzten 20 Jahren zu einem Massenphänomen geworden. Spieler in Teams kämpfen in populären Videospielen von Shootern über Strategie bis Sport-Games gegeneinander, spielen bei Turnieren mitunter um hohe Geldsummen.

Der Berliner "Dota 2"-Spieler Kuro Salehi Takhasomi gewann jüngst mit seinem Team Liquid beim Wettbewerb The International in den USA ein Preisgeld in Millionenhöhe. Zahllose Zuschauer verfolgten das Turnier in der Arena, online per Stream oder in sozialen Netzwerken.

Anderen beim Spielen zusehen, statt selber zu spielen. Was ist daran so faszinierend? "Die Stimmung", "die ganzen guten Spieler sehen" oder "Freunde treffen", sind nur einige der schnellen Antworten der Jugendlichen im Publikum. "Entertainment", nennt es Melek Balgün, Journalistin und E-Sport-Moderatorin. Für sie haben die Turniere wie das diesjährige ESL One in Köln starken Festival-Charakter gewonnen.

Menschen treffen sich, sehen gemeinsam, wie ihre Lieblingsspiele von den Profis gespielt werden. Für Balgün, selbst ehemalige E-Sportlerin, macht diese geteilte Leidenschaft für die Sache den Reiz aus: "Die unterschiedlichsten Leute treffen sich, freuen sich über die gleichen Sachen, brennen für die gleichen Mannschaften."

Also alles wie bei anderen Sportarten auch? Nicht ganz. Zwar ist das Publikum vor den Gamescom-Bühnen relativ gemischt, ein genauer Blick offenbart aber eines: E-Sport-Fans sind überwiegend jung, tendenziell männlich und sehr technikaffin, so die Deloitte-Studie. Stärker als der Breitensport handelt es sich beim E-Sport um eine Jugendkultur.

"Eine Form von Abgrenzungskultur", nennt es Prof. Jörg Müller-Lietzkow von der Universität Paderborn, der seit Jahren auch zum Thema E-Sport forscht. Jugendliche erleben die Turniere und Events als elternfreie Zone.

Ein wenig wie früher Rockkonzerte. Ein "offenes und transparentes Freizeitvergnügen", wie er es nennt. Und nicht nur das macht den E-Sport weitgehend zu einer Jugendkultur. Ab einem gewissen Alter ist man schlicht nicht mehr in der Lage, mit den Reflexen der jungen Spieler mitzuhalten, sagt er.

Im Gegensatz zum großen Sport oder der Musikkultur sind E-Sportler den Zuschauern auch näher. Jeder kann - zumindest theoretisch - einer der Athleten auf der Bühne werden - etwas Talent und Übung vorausgesetzt. Jeder kann sich selbst inszenieren - über eigene Webvideos oder Streamingplattformen.

Und E-Sport ist schneller, kurzlebiger und vor allem direkter. Viel Kommunikation zwischen Teams, Spielern oder Fans findet über soziale Netzwerke statt, Live-Übertragungen hierzulande fast nur über Internet-Plattformen. Bislang dringt von dieser Welt nicht viel nach draußen.

Gamescom 2017 - mögen die Spiele beginnen
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Foto: dpa, obe wie

"Es schwimmt noch so halb neben der Gesellschaft", sagt Melek Balgün. Doch 2018, da sind sich alle Beteiligten sicher, wird sich viel ändern. Das liegt zum einen daran, dass das große Geld seit einigen Jahren den E-Sport für sich entdeckt. Neben Computer- und Zubehörherstellern gehören mittlerweile auch Autobauer oder Bausparkassen zu den Sponsoren. Auch das deutsche Fernsehen - in Korea werden E-Sport-Events schon länger live übertragen - zeigt seit einiger Zeit E-Sports. Wenn auch nicht zur Prime Time.

Die Sportvereine entdecken das Thema ebenfalls für sich. Der VfB Stuttgart, der VfL Wolfburg und Schalke 04 unterhalten eigene E-Sport-Abteilungen - und das nicht nur für Fußballsimulationen, sondern auch für Titel wie "Dota 2".

Und was Jörg Müller-Lietzkow mit großer Hoffnung beobachtet: Es hat sich in Deutschland bereits ein wachsendes Netz von E-Sport-Vereinen mit klassischer Vereinskultur gebildet. Hier messen sich Hobbyspieler miteinander. Die Onlinesuche nach "E-Sport Verein" zeigt Treffer für zahlreiche deutsche Städte.

Auf der Kölner Messe bejubeln die Zuschauer derweil einen Gamer in Gestalt von Doomfist, einer der schrägen Figuren des E-Sport-Titels "Overwatch". Der athletische Mann im aufwendigen Kostüm mit riesiger Hydraulikfaust wird anerkennend beklatscht.

Auch das ist für Felix Falk ein wichtiger Aspekt von E-Sport: "Ich muss den Sport nicht mehr selbst ausüben, ich kann auch einfach diese Spielkultur erleben."

(csr)
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