RP Plus Das Geschäft mit dem Kinderwunsch

Düsseldorf (RP). Die Reproduktionsmedizin ist ein Millionen-Markt. Mehr als 100.000 Babys sind in den vergangenen zehn Jahren bereits nach künstlichen Befruchtungen zur Welt gekommen. Düsseldorf gilt dabei als Zentrum für Fruchtbarkeits-Behandlungen.

Was es mit der PID auf sich hat
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Was es mit der PID auf sich hat

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Foto: dapd

Die Karriere geht vor. Erst noch ein paar Jahre nach dem Studium arbeiten, bevor einen die Familiengründung vom Job fernhält. Und ob der Partner wirklich der richtige fürs ganze Leben ist, muss sich auch noch klären. Die Deutschen haben es nicht mehr so eilig mit dem Kinderwunsch. Reproduktionsmediziner beobachten einen deutlichen Trend: Paare entscheiden sich immer später, das erste Kind zu bekommen. Wenn dies irgendwann auf natürlichem Wege nicht mehr geht, ist die moderne Medizin gefragt. Eine ganze Fertilitäts-Industrie wartet nur darauf, den Paaren bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches zu helfen. Und verdient dabei kräftig.

80.000 künstliche Befruchtungen haben Reproduktionsmediziner in Deutschland im vergangenen Jahr durchgeführt. Sie profitieren von einem wachsenden Markt. Wer jahrelang vergeblich versucht, schwanger zu werden, gibt entweder den Kinderwunsch auf — oder sucht Hilfe eines Experten. Und deren Zahl wächst beständig. Allein in Düsseldorf kämpfen drei Fertilitätskliniken um kinderlose Patienten, die sich ein eigenes Kind wünschen. Von der eingeschränkten Genehmigung der Präimplantationsdiagnostik (PID) durch den Bundestag vor wenigen Wochen erhoffen sie sich weiteren Zuwachs.

15 Prozent aller Paare sind ungewollt kinderlos

15 Prozent aller Paare in Deutschland sind jüngsten Erhebungen zufolge ungewollt kinderlos. Im Internet suchen viele von ihnen Hilfe auf dem unübersichtlichen Markt der Möglichkeiten, die bei der Erfüllung des Kinderwunsches helfen sollen. Für viele Frauen ist es ein schwerer Schritt, für ihren Wunsch nach einem eigenen Baby sich der modernen Reproduktionsmedizin anzuvertrauen.

Sabine L.* (Name von der Red. geändert) versuchte nach einer Fehlgeburt zwei Jahre lang vergeblich, erneut schwanger zu werden. Fertilitätsexperten verabreichten ihr eine Hormonbehandlung. Vergeblich. Anschließend versuchten es die Ärzte mit einer Insemination, bei der speziell aufbereiteten Spermien des Mannes in die Gebärmutterhöhle der Frau eingespritzt werden. Drei Mal hintereinander mit dem gleichen deprimierenden Ergebnis.

"Mein Mann ermunterte mich, es ein letztes Mal zu versuchen"

"Mein Mann ermunterte mich, es ein letztes Mal zu versuchen", sagt Sabine L. Kurz danach war der Schwangerschaftstest positiv, neun Monate später brachte die 34-Jährige ein gesundes Kind zur Welt. Noch immer kann sie ihr Glück kaum fassen. "Jetzt ist unser Sohn vier Monate alt. Er ist unser Sonnenschein und unser großes Glück! Nie die Hoffnung aufgeben", schreibt sie in einem Internet-Forum, um anderen Frauen ebenfalls Mut zu machen.

Die moderne Reproduktionsmedizin bietet Paaren inzwischen eine Fülle an Möglichkeiten, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen. Die künstliche Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas ist dabei die häufigste Anwendung — immerhin erhöht sie die Schwangerschaftsrate auf durchschnittlich 35 Prozent. Eine Sicherheit, dass die Methode erfolgreich ist, gibt es nicht, auch wenn die Befruchtungsrate bei der In-vitro-Fertilisation bei über 70 Prozent liegt. Schließlich muss der Embryo vom Mutterleib auch angenommen werden.

2000 Euro pro Versuch

Die Kinderwunsch-Therapie kann darum zu einer kostspieligen Angelegenheit werden. 1500 bis 2000 Euro kostet der Patientenanteil für die Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas. Nicht selten werden drei oder mehr Versuche benötigt, dabei können schnell 8000 Euro zusammenkommen. Dabei ist dies nur die eine Hälfte der Kosten, die anderen 50 Prozent trägt die Krankenkasse — vorausgesetzt, beide Partner sind gesetzlich krankenversichert und verheiratet.

Doch die Kosten halten die wenigsten Paare von einem Besuch beim Reproduktionsmediziner ab. Patienten sind nicht nur Besserverdiener, die mit Ende 30 schwanger werden wollen, sondern Paare aus allen Einkommensschichten. Viele von ihnen landen bei ihrer Suche nach Hilfe im Kinderwunschzentrum Düsseldorf. Sechs Ärzte bieten in der großen Praxis im Düsseldorfer Süden Insemination, In-vitro-Fertilisation und Hormonbehandlungen an.

Auch dort beobachten die Mediziner den Trend zu späteren Schwangerschaften. "Das Durchschnittsalter unserer Patientinnen liegt aktuell bei 37 Jahren, vor fünf Jahren lag es noch bei 34 Jahren", sagt Reproduktionsmediziner Stefan Kißler. Ab 35 Jahren sinkt bei Frauen die Fruchtbarkeit rapide. Eine Schwangerschaft in den 40ern gilt als Seltenheit.

Wer ist schuld am unerfüllten Kinderwunsch?

Dabei liegt es im Durchschnitt zu gleichen Teilen am Mann wie an der Frau, dass der Kinderwunsch unerfüllt bleibt. In 40 Prozent der Fälle ist die Spermienqualität nicht ausreichend, in weiteren 40 Prozent verfügt die Frau über keine befruchtungsfähige Eizelle. Bei den übrigen 20 Prozent bleibt die Ursache für die ausbleibende Schwangerschaft ungeklärt.

"Die Medizin ist weit davon entfernt, Designerbabys zu ermöglichen"

Bei vielen Paaren, die sich in die Hände eines Reproduktionsmediziners geben, ist der Kinderwunsch so groß, dass er alle Sorgen über Nebenwirkungen und Hormonschwankungen in den Schatten stellt. Dass die moderne Medizin keine Vorsorge treffen kann, dass das Baby gesund ist und vielleicht sogar die gewünschte Augenfarbe hat, wissen die meisten Patienten vorher. "Die Medizin ist weit davon entfernt, Designerbabys zu ermöglichen. Außerdem wollen wir das gar nicht", sagt Kißler. Die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID), die in den vergangenen Jahren in Politik, Kirche und Gesellschaft geführt wurde, hat dennoch dazu beigetragen, dass viele Paare besser über die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin informiert sind.

Die PID ermöglicht lediglich die Untersuchung von zwei Chromosomensätzen — für eine vollständige Untersuchung des Erbmaterials viel zu wenig. So kann die Screeningmethode lediglich zum Ausschluss bestimmter Krankheiten dienen. Meist beschränkt man sich daher auf die Aufdeckung zahlenmäßiger Abweichungen der Chromosomen 13, 16, 18, 21, 22, X und Y. Leiden beide Elternteile unter einer bekannten Erbkrankheit, kann diese durch die PID beim Embryo im Zweifelsfall diagnostiziert werden, um der Mutter eine eventuelle Fehlgeburt oder Abtreibung zu ersparen. Begehrte Eigenschaften fürs Kind wie sportlich, musikalisch, blond und blauäugig hängen dagegen von sehr vielen unterschiedlichen Genen ab, für deren Analyse die moderne Medizin aktuell noch keine Möglichkeiten gefunden hat.

Trend: Gefrorene Eizellen konservieren

Große Nachfrage gibt es bereits jetzt nach der Konservierung unbefruchteter Eizellen. Bei diesem Verfahren wird die Eizelle über längere Zeit tiefgekühlt, bis sie bei Bedarf wieder in die Bauchhöhle eingesetzt wird. In der Kinderwunsch-Praxis "Kinderwunsch-Kö" an der Düsseldorfer Königsallee haben die Reproduktionsmedizinerinnen Martina Behler und Tanja Emde bereits mehrere Patientinnen mit diesem Wunsch behandelt. Oft sind es Frauen Mitte 30, deren berufliche und private Situation eine Schwangerschaft unmöglich machen.

Wenn kein Partner gefunden ist aber die biologische Uhr weiter tickt, ermöglicht die Medizin, das biologische Alter der Eizelle zu konservieren. Auf diese Weise kann die Frau auch zehn Jahre später mit Mitte 40 noch schwanger werden. Entscheidender als das Alter der Mutter ist die Qualität der Eizelle — und die bleibt tiefgeforen über Jahre bewahrt. Kosten der Aufbewahrung im Labor zusätzlich zur Behandlung: Rund 260 Euro pro Jahr.

Zur Geschlechtsselektion nach Thailand

Die ethischen Bedenken einer solchen Prozedur müssen die Frauen oftmals mit sich selbst klären. Ist es verwerflich, die Natur des eigenen Körpers zu überlisten? Oder legitimiert der natürliche Wunsch nach einem eigenen Kind die Unterstützung der modernen Medizin? In anderen Ländern scheinen die moralischen Grenzen weniger eng gesehen zu werden. Die Geschlechtsselektion, quasi ein Nebenprodukt bei der PID, ist in Teilen der USA, in Mexiko, Thailand und der Ukraine ein legales Verfahren. Dienstleister bieten sogar Reisen zu Fertilitätskliniken nach Bangkok an. Preis: 8000 Euro inklusive Flug und Unterkunft.

In Großbritannien ist die moderne Reproduktionsmedizin ebenfalls populärer als hierzulande. Eine gemeinnützige Organisation nahm die Sorge mancher Frauen, dass sie eher im Lotto gewinnen würden, als schwanger zu werden, wörtlich. Sie verlost jeden Monat eine künstliche Befruchtung für rund 30.000 Euro.

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